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[An Ottla Kafka: Postkarte]
Liebste Ottla, bitte veranlasse, dass mir Geld geschickt wird, ich
hatte nicht viel mit, die Mutter hatte damals keines, konnte mir nicht
für Oktober vorausgeben, ich wußte ja auch nicht, wie lange
ich bleibe, aber sie versprach mir vom 1. Oktober ab in jedem Brief kleinere
Beträge zu schicken. Nun habe ich schon öfters darum gebeten,
aber es kommt nichts, heute ist der 16te und ich habe für diesen Monat
erst 70 K im Ganzen bekommen; sollte das Geld aus der Anstalt
nicht gekommen sein oder sollte ein Geldbrief vielleicht doch verloren
gegangen sein? Oder will man mich auf diese Weise zum Geldverdienen erziehn,
aber dann hätte man mich nicht soviel Zeit verlieren lassen sollen.
Gestern z. B. habenMöbelpacker einen rieseigen Flügel
des früheren Mieters aus meinem Zimmer transportiert. Wenn es eine
Möbelpackerschule gäbe, wo man aus jedem Menschen einen Möbelpacker
machen kann, würde ich leidenschaftlich eintreten,
vorläufig habe ich die Schule noch nicht gefunden. - Die Butter kommt
richtig an, heute auch das große von Klopstock vermittelte Paket.
Aber man braucht auch anderes. So steht mir, fürchte ich eine große
Ausgabe bevor, der Ankauf einer Petroleumlampe. In meinem
Zimmer ist nur mir nicht genügendes Gaslicht und eine zu kleine Petroleumlampe.
das Geld aus der Anstalt: Vgl. Nr. 115 und 116.
Möbelpacker: Auch Dora Dymant erinnert sich,
dass Kafka einmal "zwei Möbelträgern staunend, mit
offenem Mund, bis zur Treppe folgte". (WB 226, Anm. 559) Vgl. auch
Br 242.
der Ankauf einer Petroleumlampe: Die Anschaffung
war vor allem notwendig geworden, weil Kafka mit der Wirtin wegen der hohen
Gaskosten Streit bekam. (Vgl. J. P. Hodin, Erinnerungen an Franz Kafka,
in: Der Monat 1 [1949], Nr. 8/9, S. 93) Man benützte die Lampe
auch zum Kochen. (Vgl. FK 176, Br 461 und Nr. 116)
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at