Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

An Oskar Baum

[Postkarte. Berlin-Steglitz, Dezember 1923]
 

Mein lieber Oskar, was für einen miserablen Advokaten hast Du! Was nützt sein guter Wille? Bei soviel Miserabilität kann er nur schaden. Entzückt, wahrhaftig entzückt war ich, einen Auftrag und einen so aussichtsreichen von Dir zu haben. Nun lief ich freilich nicht selbst zum Telephon (wie denn! zum Telephon! Es steht freilich auf meinem Tisch), drängte aber mit aller Kraft jemanden andern hin. Zwei Anrufe mißglückten, ich nahm das als Zeichen, dass man schlauer vorgehn müsse, schrieb einen Brief und schickte ihn durch einen sehr guten Bekannten hin. Es war so gedacht, dass K. zu mündlichen Zugeständnissen gezwungen werden sollte. K. aber, noch schlauer, verschwand im Nebenzimmer und brachte einen diktierten Brief zurück. "Es tue ihm sehr leid -, aber Sondernummer und redaktionelle Schwierigkeiten -, bisher nicht möglich -. Nun sei aber eine neue Idee aufgetaucht (ich weiß bis heute nicht, ob sie sich auf Deine Geschichte bezieht), über die er sehr gern mit mir sprechen würde, ich solle zu ihm kommen oder antelephonieren." Das war unbewußt schlau, denn beides ist mir unmöglich. Ich, noch schlauer, schicke einen zweiten Brief, wieder durch meinen Bekannten, erkläre darin die zwei Unmöglichkeiten, bitte aber dringendst, dass er sich über Deine Geschichte mit meinem Bekannten genau ausspricht. Aber die Schlauheiten türmen sich über einander. Auf diesen zweiten Brief hin sagt er, dass er im Laufe der Woche zu mir hinauskommen werde. Nun ist er fein heraus, denn er kommt nicht; in der nächsten Woche frage ich wieder (d. h. wieder nicht ich) bei ihm wegen der Geschichte an, worauf er sagt, dass er erst nach Weihnachten kommen werde; was aber die Geschichte betreffe, so sei sie unbedingt angenommen, aber über die Veröffentlichungszeit könne er nichts sagen. - Sonderbar, wie sich eine so große Aktion in den Lauf der Welt einschieben kann, zart, ohne das Allergeringste zu verändern. Oskar, Lieber, bitte sei mir nicht böse!

Herzlichste Grüße Dir und den Deinen

F.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at