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An Robert Klopstock

[Postkarte. Berlin-Steglitz, Stempel: 31. X. 1923]
 

Lieber Robert, bitte, nicht übertreiben hinsichtlich Berlins. Daß ich hierhergefahren bin, war ungeheuerlich, aber weitere Ungeheuerlichkeiten sind dem hier vorläufig nicht gefolgt, also soll man es nicht durch Lobsprüche schrecken. Es ist nicht einmal ausgeschlossen, dass mich die unheimliche Teuerung - vorläufig nicht, wohl aber wenn sie sich weiter mit gleicher Unermüdlichkeit steigert - vertreibt. Bis jetzt geht es mir äußerlich gut, man kann nicht besser versorgt sein, als ich es bin. - dass Sie eine neue Übersetzung von Klarissa gemacht haben, hat mir einen schmerzhaften Stich gegeben. Sie war doch vorzüglich übersetzt, warum noch einmal diese Arbeit, besonders jetzt, da ich - vielleicht ist es eine Täuschung dann aber eine starke - in Ihren letzten Briefen ein solches Verlangen und darüber hinaus eine solche Kraft zu eigener Arbeit fühle wie niemals früher. Es wäre vielleicht gar nicht übel, wenn Sie sich nach dem Rigorosum wieder nach Frýdek, in die Stille flüchten könnten. Trotzdem, wie ich in der "Selbstwehr" lese, gerade heuer eine Überfälle hebräischer Dinge dort geplant ist. Hier muß ich zu solchen Dingen stundenlang fahren, dort hätte ich es hundert Schritte vom Haus und doch unerreichbar weit.

Ihr F.




Klarissa: Max Brod, Klarissas halbes Herz. Lustspiel in drei Akten. München, 1923.


dort: in Prag.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at