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An Robert Klopstock

[Berlin-Steglitz, Oktober 1923]
 

Lieber Robert, ich bekomme den Brief Mittwoch vormittag; wenn Sie die Geschichte Freitag haben sollen, müssen wir uns beeilen, ich und die Post. Im übrigen macht es mir durchaus nur Freude, Ihre Übersetzungen durchzusehn, schicken Sie nur, was Sie haben. Die Geschichte selbst scheint mir recht gut, nur habe ich bei diesen Geschichten von K. meistens eileer. unangenehmen Nebeneindruck, so als ob dieser Einfall, an sich selbst erträglich gut, immer der letzte wäre, wie wenn der arme Mann immer seinen letzten Kreuzer ausgeben würde und man außer der Münze auch noch die leere Tasche zu schell bekäme. Ich weiß nicht, woran das liegt, da doch sein Reichtum zweifellos ist. - Die Übersetzung ist sehr gut. Nur ein paar Bemerkungen: Der Titel ist richtig, wäre aber nicht stärker, einfach: "Ohne Kopf" oder "Kopflos."

6) ich würde "schleppen" wählen, auch "ziehen" enthält Qual und ist abseitiger. "bewegen" wäre ohne diese Qual - Dieses Ganze: "ziehen" und "Spur hinterlassen" erinnert zu sehr an kriechende Raupen.

feinen Zeuges Stoff - klingt nicht schlecht, aber Zeug und Stoffist das gleiche;

was ist das: Glaubender?

Die andern Dinge habe ich im Text eingetragen.

Das Krausbuch habe ich bekommen, schön, lieb und verschwenderisch war es, dass Sie es geschickt haben, es ist lustig, wenn es auch nur eine Nachgeburt der "Letzten Tage" ist. Sonst lese ich nur wenig und nur hebräisch, keine Bücher, keine Zeitungen, keine Zeitschriften oder doch: die "Selbstwehr". Warum schicken Sie nicht der "Selbstwehr" etwas, die Ihnen weit offensteht. Ich hätte gedacht, dass Sie schon am 1. November in Prag sein wollten. Ja, Wien ist schön, nach der Berliner Zeit übersiedeln wir dann nach Wien, ja?

Ich verkehre mit sehr wenigen Menschen, mit Dr. Weiss habe ich einmal gesprochen, mit Pua seit fünf Wochen nicht, sie ist ganz verschollen, antwortet auf Karten nicht.

Mein Gesundheitszustand ist erträglich.

Am 15. November übersiedle ich in eine neue Wohnung, in der Nähe. Die Adresse schicke ich nächstens.

Leben Sie wohl, alles Gute Ihren Träumen und Arbeiten

Ihr F


"Schechol uchischalon" sind zwei Hauptworte, die ich auch nicht ganz verstehe, jedenfalls versuchen sie den Inbegriff des Unglücks darzustellen. "Schechol" heißt wörtlich Kinderlosigkeit, also vielleicht Unfruchtbarkeit, Fruchtlosigkeit, sinnlose Anstrengung, und "Kischalon" heißt wörtlich: Straucheln, Fallen.




Geschichten von K.: Klopstock übersetzte Karinthys witzige Kurzgeschichten aus dem Ungarischen ins Deutsche.


Krausbuch: Karl Kraus, Untergang der Welt durch schwarze Magie. Wien, 1922.


Letzten Tage: Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog. Wien, 1922.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at