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An Robert Klopstock

[Postkarte. Berlin-Steglitz, Stempel: 25. X. 1923]
 

Lieber Robert, hoffentlich leben Sie dort unter den Freunden friedlich nach der Prager Hetze (übrigens schrieb mir Max, der Sie im Vorübergehn einmal gesehen hat, dass Sie nicht schlecht aussehn, daran halte ich mich, wenn ich an Sie denke) und vielleicht läßt die Chemie auch noch etwas für Hebräisch übrig. Ich komme darin sehr langsam vorwärts, die Ferien und Schelesen haben mich viel und besonders das regelmäßige verzweifelte Lernen vergessen lassen, jetzt bin ich vier Wochen hier und habe 32 Seiten in einem Roman von Brenner gelesen, also jeden Tag eine Seite. "Schechól uchischalón"* heißt das Buch, lösen Sie diese chemische Formel. Ein für mich in jeder Hinsicht schweres Buch und nicht sehr gut. Pua hat mir zweimal beim Lesen geholfen, jetzt habe ich sie aber schon fast vierzehn Tage nicht gesehn. - Eine der hier möglichen Unternehmungen ist gescheitert, sie war allerdings noch kaum in scheiterungsfähigem Stadium. Nahe von mir in Dahlem ist eitle berühmte Gärtnerschule, in die ich eintreten wollte; Informationen eines dort lernenden Palästinensers, der mich aufmuntern wollte, haben mich abgeschreckt. Zur praktischen Gärtnerarbeit bin ich zu schwach, zur theoretischen zu unruhig, ich werde die Unruhe in andere Richtungen schicken müssen.

Das große Butterpaket kam in ausgezeichnetem Zustand all, vielen Dank.

Wie geht es Ihrer Mutter und dem Bruder?

Grüßen Sie Steinberg!


* In hebräischer Kursivschrift. - "Ubfruchtbarkeit und Scheitern"


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at