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An Robert Klopstock

[Postkarte. Schelesen, Stempel: 13. IX. 1923]
 

Lieber Robert, sollte wirklich die mensa für Sie nicht zu erreichen sein? Das wäre freilich schlimm, da werden wir etwas veranstalten müssen. Mit Max werde ich jedenfalls sprechen. Ist die Karinthy-Geschichte damals im Tagblatt erschienen? - dass Sie schon in diesem Semester nach Berlin gehen sollten, daran dachte ich nur im ersten Rausch des Heims, unter den gegenwärtigen Verhältnissen wäre es zu schwierig, aber für später muß es in Sicht bleiben, dieses vereinsamte Prager Leben dürfen Sie nicht weiterführen, ein wenig Literatur im Kaffeehaus, ein wenig Streit mit dem Zimmerkollegen, eine bittere Mischung von Trauer und Hoffnung zwischen uns beiden, die Beziehung zu Max, das alles ist zu wenig oder nicht zu wenig, aber keine gute Nahrung, wenn mir auch freilich als einem Prager alles viel trüber erscheint als es in Wirklichkeit sein mag, aber selbst mit dieser Korrektur bleibt es noch trübe, an dem Ausblick gemessen, den man im Heim bekam. Palästina wäre mir ja auch sonst unerreichbar gewesen, angesichts der Berliner Möglichkeiten wäre es aber nicht einmal dringend. Freilich ist auch Berlin fast unerreichbar (Temperaturerhöhung habe ich auch und sonstiges) und es besteht die Gefahr, dass die Reise nach Palästina zur Reise nach Schelesen einschrumpft. Mag es wenigstens dabei bleiben und sich nicht zum Schluß nur die Reise mit dem Aufzug vom Altstädter Ring in mein Zimmer ergeben. Meine Mutter aber ist in Paris.

F


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at