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An Robert Klopstock
Lieber Robert, sollte wirklich die mensa für Sie nicht zu erreichen
sein? Das wäre freilich schlimm, da werden wir etwas veranstalten
müssen. Mit Max werde ich jedenfalls sprechen. Ist die Karinthy-Geschichte
damals im Tagblatt erschienen? - dass Sie schon in diesem Semester
nach Berlin gehen sollten, daran dachte ich nur im ersten Rausch des Heims,
unter den gegenwärtigen Verhältnissen wäre es zu schwierig,
aber für später muß es in Sicht bleiben, dieses vereinsamte
Prager Leben dürfen Sie nicht weiterführen, ein wenig Literatur
im Kaffeehaus, ein wenig Streit mit dem Zimmerkollegen, eine bittere Mischung
von Trauer und Hoffnung zwischen uns beiden, die Beziehung zu Max, das
alles ist zu wenig oder nicht zu wenig, aber keine gute Nahrung, wenn mir
auch freilich als einem Prager alles viel trüber erscheint als es
in Wirklichkeit sein mag, aber selbst mit dieser Korrektur bleibt es noch
trübe, an dem Ausblick gemessen, den man im Heim bekam. Palästina
wäre mir ja auch sonst unerreichbar gewesen, angesichts der Berliner
Möglichkeiten wäre es aber nicht einmal dringend. Freilich ist
auch Berlin fast unerreichbar (Temperaturerhöhung habe ich auch und
sonstiges) und es besteht die Gefahr, dass die Reise nach Palästina
zur Reise nach Schelesen einschrumpft. Mag es wenigstens dabei bleiben
und sich nicht zum Schluß nur die Reise mit dem Aufzug vom Altstädter
Ring in mein Zimmer ergeben. Meine Mutter aber ist in Paris.
F
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at