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[Tagebuch, 3. Februar 1922; Freitag]

3 (Februar 1922) Schlaflos, fast gänzlich; von Träumen geplagt, so wie wenn sie in mich, in ein widerwilliges Material eingekratzt würden.

Eine Schwäche, ein Mangel ist deutlich, aber schwer zu beschreiben, es ist eine Mischung von Ängstlichkeit, Zurückhaltung, Geschwätzigkeit, Lauheit, ich will damit etwas Bestimmtes umschreiben, eine Gruppe von Schwächen, die in einem besondern Aspekt eine einzige genau charakterisierte Schwäche darstellen (die sich nicht mischt mit den großen Lastern wie Lügenhaftigkeit, Eitelkeit u. s. w.). Diese Schwäche hält mich sowohl vom Irrsinn wie von jedem Aufstieg ab. Dafür dass sie mich vom Irrsinn abhält, pflege ich sie; aus Angst vor Irrsinn opfere ich den Aufstieg und werde dieses Geschäft auf dieser Ebene, die keine Geschäfte kennt, gewiß verlieren. Wenn nicht die Schlaflosigkeit sich einmischt und mit ihrer nächtlich-täglichen Arbeit alles niederbricht, was hindert, und den Weg freilegt. Dann wird aber wiederum nur der Irrsinn mich aufnehmen, da ich den Aufstieg, den man nur erreicht, wenn man ihn will, nicht wollte.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at