Voriger Eintrag | Jahresübersicht | Indexseite | Nächster Eintrag |
An Oskar Baum
Lieber Oskar, Dank für Deinen Brief, den ich über Planá
(ich bin schon seit Montag in Prag) bekommen habe, ich fürchtete sehr,
dass Du mir böse bist, und fürchte es noch, denn wie kann
man gegenüber einer solchen Aufführung gut bleiben, es wäre
denn, dass man angestrengt bedenkt, um wie viel näher ich diese
schreckliche Aufführung am Leibe habe. Ich komme in den allernächsten
Tagen; in Planá ging es mir, mit einigen zählbaren Unterbrechungen,
recht gut, erst zum Schluß war ich fast froh, dass ich wegfuhr.
Was gäbe es Schöneres, als den Winter dort zu bleiben, für
die Schlafhelden, dazu gehöre ich nicht, ich würde es dort nicht
ertragen zwischen den freigelassenen Naturgeistern, und Du, von der Musiksaison
gehalten, wärst bestenfalls für ein paar Tage gekommen. Glücklich
Leo! Gepriesen seine Eltern! So wachsen und gesund und kräftig und
geschickt und körperlich erfahren werden und dabei von der Mädchenüberzahl
angeschaut werden, welche die Entwicklung durch ihr Anschauen lockt und
leitet! Borg Dir von Max "Schwermut der Jahreszeiten" von Speyer
aus, wo ein Schulgut beschrieben ist. Demgegenüber möchte man
sich, dessen Erziehung im Grunde genommen sich vollständig im einsamen,
überkalten oder überheißen Knabenbett vollzogen hat, sagen:
"Ich bin verflucht". Es stimmt nicht ganz, aber man bekommt
Lust es zu sagen.
Herzliche Grüße Dir, der Frau und Schwester.
Dein F
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at