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An Robert Klopstock

[Prag, Frühjahr 1922]
 

Lieber Robert, lange nicht geschrieben, ich weiß, aber ich muß erst der Beschämung, die Sie mir manchmal, lieb und böse, in Ihren Briefen auflegen, Zeit geben, zu vergehn.

Am merkwürdigsten war mir immer, dass Sie hie und da - im letzten Brief nimmt es aber ein zu großes Ausmaß an, - über Ihre Stellung zu den Menschen "den lieben guten" wie Sie schreiben, klagten. Ich fühle übrigens für mich dieses "lieb und gut" sehr ähnlich wie Sie, lese ich es aber geschrieben und nicht von mir geschrieben, kommt es mir mehr lächerlich als wahr vor, ein der Menschheit dargebrachter Geburtstagswunsch mit allen zugehörigen, die Warte überwältigenden Hintergedanken.


Nun ist schon Ihr dritter Brief da, so vieles unbeantwortet und ich weiß nichts und bin nur müde. Ich kann nur sagen, kommen Sie, treten Sie aus dem Sie ausdörrenden Matlar unter Menschen, unter Menschen, die Sie ja, weit über Ihre eigenen Feststellungen hinaus, wunderbar zu behandeln, zu beleben, zu führen wissen und Sie werden leicht erkennen, dass dieses Phantom, das sich erst in Ihren Briefen gebildet hat, in Ihren Briefen unter Ihrer Hand, das noch in Mattar nicht bestand, das ich sein soll und vor dem ich zum Davonlaufen, zum ewigen Schweigen erschrecke (nicht etwa, weil es schrecklich an sich wäre, aber in Bezug auf mich), Sie werden ganz ohne Leid erkennen, dass es nicht existiert, sondern nur ein schwer erträglicher, in sich vergrabener, mit fremdem Schlüssel in sich versperrter Mensch, der aber Augen hat, zu sehn und sich über jeden Schritt vorwärts, den Sie machen werden, sehr freuen wird und über Ihre große Auseinandersetzung mit der auf Sie einströmenden Welt. Sonst? Ich habe, um mich vor dem, was man Nerven nennt, zu retten, seit einiger Zeit ein wenig zu schreiben angefangen, sitze von sieben Uhr abends etwa beim Tisch, es ist aber nichts, eine mit Nägeln aufgekratzte Deckung im Weltkrieg und nächsten Monat hört auch das auf und das Bureau fängt an.

Frohe Tage in Budapest!

Und Grüße für Ilonka! Traurig ist es trotz allem. Diese negativen Heldentaten: entloben, verzichten, den Eltern trotzen - es ist so wenig und versperrt so viel.

Ihr K


Ich habe einige Bücher, die ich Ihnen gern zu lesen geben würde, aber es ist so umständlich und riskant sie zu schicken, da sie nicht mir gehören.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at