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An Johannes Urzidil
Sehr geehrter Herr Urzidil,
meinen herzlichen Dank für das Buch. Es hat mich
im Wesen, aber auch im Aufbau sehr an Iwan Iljitsch erinnert! Zuerst Werfels
sehr einfache und schreckliche Wahrheit (wahr auch der unheimliche "freudig
Lug-Gewillte"), dann das Sterben dieses jungen Menschen, der drei
Tage- und Nächte-Schrei, man hat in Wirklichkeit keinen Laut davon
gehört, und wenn es hörbar gewesen wäre, wäre man ein
paar Zimmer weiter gegangen, es gibt keinen anderen "Ausweg"
als diesen und schließlich Ihr männliches und deshalb trostreiches
Nachwort, zu dem man sich natürlich am liebsten schlagen würde,
wenn es nur nicht, wie es in der Natur des Trostes liegt, zu spät
käme, nach der Hinrichtung. Es ist bei Iwan lljitsch nicht anders,
nur ist es hier im "Vermächtnis" noch deutlicher, weil
jedes Stadium sich besonders personifiziert.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Kafka
Buch: Der Brief bezieht sich auf das von Johannes
Urzidil herausgegebene, von Franz Werfel mit einem Vorwort versehene Buch
"Karl Brand - Das Vermächtnis eines Jünglings" (Wien,
I920). Das Buch enthält den literarischen Nachlaß des jungen
Prager Dichters Karl Brand, der 1918 nach längerer Krankheit an Schwindsucht
starb. -Kafka zitiert Tolstois Erzählung "Der Tod des Iwan Iljitsch".
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at