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An Robert Klopstock

[Prag, Dezember 1921 Januar 1922]
 

Lieber Robert, so sehr sicher ist die Bestätigung der Abramschen Dinge, die ich habe, nicht. Meine Schwester hat nur mit Rudolf Fuchs darüber gesprochen, welcher ihr sagte, das wären bekannte Dinge, der sogenannte Abramismus, auch Bücher wären schon darüber geschrieben. dass er Spaß gemacht hat, glaube ich nicht; wo er vom Abramismus gehört hat, ob etwa in der Redaktion, weiß ich nicht. Ich selbst spreche mit niemandem außer mit Max (manchmal mit Oskar und Felix) und meinem Arzt, die beiden wissen nichts davon, allerdings haben sie auch den Aufsatz nicht gelesen. (Können Sie mir die Nummer des Blattes sagen?) Mein Arzt (der übrigens daran schuld ist, dass ich den ersten Anfang dieses Briefes, in dem ich mich über den Arzt ausgeschwätzt habe, wegwerfen mußte) ist jünger als ich, leidenschaftlicher Arzt, interessiert sich auch besonders für Krebs, hat mir auf meine Erzählung hin ein Buch über Radioaktivität gezeigt, das er gerade studiert hat, von Abram weiß er aber nichts.

Ihre Selbstvorwürfe wegen Abram! Solche Dinge, solche Bekenntnisse sind es, die mir die Welt seit jeher fern halten. Wenn wirklich das Auftreten einer solchen Sünde etwas Außerordentliches, Vereinzeltes, besonders Schreckliches ist, dann verstehe ich nicht nur nicht die Welt, das ist selbstverständlich, dann aber ist sie aus anderem Stoff als ich. Für mich wäre eine solche Sünde nichts als ein Tropfen in dem Lebensstrom, auf dem ich fahre, glücklich, wenn ich nicht ertrinke. Eine solche Sünde hervorheben scheint mir das Gleiche, wie wenn jemand die Abfallwässer von London untersuchen und eine einzige tote Ratte in ihnen finden würde und auf Grund dessen zu dem Schlusse käme: "London muß eine äußerst widerliche Stadt sein".

Die Angst wegen des Arbeitsstoffes ist immer wohl nur ein Stocken des Lebens selbst. Man erstickt im allgemeinen nicht, weil es an Luft, sondern weil es an Lungenkraft mangelt.

Ihre Erklärung der Abramschen Dinge ist sehr gut, nur die Elektronen verstehe ich nicht, nicht einmal den Namen.

Das Reformblatt ist gewiß ein sehr lächerliches Blatt, aber die Lächerlichkeit entwertet es nicht, sondern ist nur eine Hinzugabe. Die Bestrebungen dieses Blattes und anderer ähnlicher sind vielleicht lebendiger als ihre Träger und warten nur in diesem Halbdunkel auf ihre Zeit . . .

Alles Gute

Ihr K


Wie ist die Gesundheit und die Arbeit? Und warum noch immer nichts über Frau Galgon?


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at