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An Robert Klopstock
Lieber Robert, es geht nicht, meine Schwester war dort. Ein neuer Paß
würde 191 Kc kosten, abgesehen davon aber, daß dies, für
ein Nichts gezahlt, ein ungeheuerer Preis wäre, wollten sie nicht
einen neuen Paß ausstellen, der alte sei noch sehr gut, sie hätten
schon viel schlechtere Pässe gehabt u. s. f. Allerdings es sei nicht
richtig gewesen, die Blätter einzunähn, aber auch das mache nichts,
übrigens haben sie jetzt zur Sicherheit alle Blätter mit Stampiglien
versehn, mehr war nicht zu erreichen. Man hätte höchstens die
Wahrheit sagen können, aber dann hätte man eben den großen
Preis zahlen müssen.
Gestern war Frl. Irene hier, mein Verdacht gegen die Angelegenheit ist
nicht beseitigt, es ist ein wahnwitziges Unternehmen, so wahnwitzig, daß
es nicht einmal schön ist zuzuschauen. Ich werde entzückt sein,
wenn es halbwegs gut ausgeht, ich werde nicht nur im Einzelfall widerlegt
sein, mein ganzes Weltbild wird beeinflußt sein. Heute mittag ist
sie weggefahren, vielleicht war sie vormittag noch mit Hardt zusammen und
hat von ihm eine Empfehlung bekommen. - Ich denke ja bei dem Ganzen sehr
an mich, es ist so, wie wenn ich etwa heute meinem Traum nachgeben und
mich bei einer Skautstruppe zehnjähriger Jungen anmelden wollte.
Von Ihnen wußte Frl. Irene kaum etwas zu erzählen, nichts von
Barl., nichts von Matlar, nichts von Frau G. - Aber lieb und zart ist sie
natürlich, daran will ich mit meinem groben Urteil nicht rühren.
Ein wenig Ruhe habe ich schon, bin aber jetzt sehr müde von den Anstrengungen
der letzten Tage, Gesamtzustand nicht zu schlecht.Alles Gute!
Ihr K
Letzte Änderung: 22.01.2011 werner.haas@univie.ac.at
Eigenh. Brief mit U. (JC). 2 Seiten (49 Zeilen in Bleistift auf blau kariertem Blatt). Mit horizontaler und vertikaler Knickspur; minimal knittrig. Gr.-8*> (14,3:22,8 cm). [Prag], [nach dem 3. Oktober 1921] (Dat. nach Inhalt und der Randbemerkung ["Wo bleibt Frl. Irene?"] zu zwei Postkarten mit Poststempel 3. X. 1921, vgl. Br 357f., 358). - Beiliegend ein von R. Klopstock beschr. Umschlag "October 1921 Frl. Irene Bugsch".
Lieber Robert es geht nicht, meine
Schwester war dort. Ein neuer Pass
würde 191 Kc kosten, abgesehen davon
aber, dass dies, fur ein Nichts gezahlt,
ein ungeheuerer Preis wäre, wollten [Siosie]
nicht einen neuen Pass ausstellen, der
alte sei noch sehr gut, sie hatten
schon schon viel schlechtere Pässe gehabt
u.s.f. Allerdings es sei nicht rich-
tig gewesen, die Blätter einzunähn,
aber auch das mache nichts, übrigens
haben sie jetzt zur Sicherheit alle
Blätter mit Stampiglien versehn, mehr
war nicht zu erreichen. Man hätte
höchstens die Wahrheit sagen können
aber dann hätte man eben den grossen
Preis zahlen müssen
I
Gestern war Frl. Irene hier, mein
Verdacht gegen die Angelegenheit ist
nicht beseitigt, es ist ein wahnwitziges
Unternehmen, so wahnwitzig, dass es
nicht einmal schön ist zuzuschauen.
Ich werde entzückt sein, wenn es
halbwegs gut ausgeht, ich werde
Mit Abweichungen bzw. unvollständig (2 Zeilen fehlen) abgedruckt in Br359f.
1] Lieber Robert es geht nicht, meine Schwester war dort. Ein neuer Pass würde 191 K£
kosten, vgl. Nr. 1, Anmerkung 3
2] sagen können aber dann [...]: in Br: sagen können, aber dann [...]
3] Gestern war Frl. Irene hier. vgl. Nr. 3, Anmerkung 3
4] mit Hardt beisammen: in Br: mit Hardt zusammen - Der Schauspieler und Rezitator Ludwig Hardt (1886-1947),
der nach dem Ersten Weltkrieg als Lektor für Vortragskunst am Deutschen Theater in Berlin tätig war,
trug seit März 1921 auch wiederholt Texte von Kafka vor. Während einer Vortragsreise nach Prag im Oktober kam
Kafka mehrfach mit ihm zusammen und schenkte ihm nach dessen Lesung am 14.
d. M. im Prager Mozarteum einen Band von Johann Peter Hebels Schatzkästlein des rheinischen
Hausfreundes (vgl. WKC 179), am Tag darauf setzt er nach mehr als eineinhalbjähriger
Unterbrechung sein Tagebuch fort: "Alle Tagebücher, vor einer Woche etwa, M. gegeben.
Ein wenig freier? Nein. Ob ich noch fähig bin eine Art Tagebuch zu führen? Es wird jedenfalls
anders sein, vielmehr es wird sich verkriechen, es wird gar nicht sein, über Hardt z. B.
der mich doch verhältnismäßig sehr beschäftigt
hat, wäre ich nur mit größter Mühe etwas zu notieren fähig. Es ist so, als hätte ich
schon alles längst über ihn geschrieben oder was das gleiche ist, als wäre ich nicht
mehr am Leben [...]" (Eintragung v. 15. X. 1921; zit. n. TKA 1863), - Über Ludwig
Hardt kam auch Thomas Mann mit Kafkas Werk in Berührung. "Zum Thee mit L. Hardt,
der mir Prosa eines Pragers, Kafka, vorlas, merkwürdig genug", notiert er unterm
1. VIII. 1921 in sein Tagebuch, und am 22. IX. heißt es über seine Lektüreerfahrung: "Sehr interessiert
war ich von den Schriften Franz Kafka's, die der Recitator
Hardt mir empfahl" (TMTB 1918-1921,542 und 547).
5] es ist so, wenn ich etwa: in Br: es ist so, wie wenn ich etwa
6] X 1 Wort unlesbar gestrichen
7] bei einer Skautstruppe 10jähriger Jungen: in Br: bei einer Skautstruppe zehnjähriger
Jungen
8] nichts von Barl. nichts von Matlar, nichts von Frau Calgon: in Br: nichts von Barl.,
nichts von Matlar, nichts von Frau G.; zu Barl. vg l. Nr. 3, Anmerkung 9, zu Frau Galgon vgL Nr. 2, Anmerkung 14
9] 40 K lege ich bei, auch den Brief des Bruders: fehlt in Br; zu Klopstocks Bruder vg l. Nr. 2,.11 und 12, Anmerkung 1