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An Robert Klopstock

[Prag, Mitte September 1921]
 

Lieber Robert, es ist ja nicht so schlimm, es ist bloß nicht gut und ich fahre gewiß, wahrscheinlich nach Görbersdorf, es scheint dort nicht teuerer zu sein als in Matlar, freilich wäre ich lieber irgendwohin weiter gefahren, an den Rhein oder nach Hamburg, ich habe aber keine richtigen Antworten von dort bekommen. Über 37.3 geht die Temperatur nicht, aber über 37 ist sie täglich.

Warum schreiben Sie nichts von sich? Gesundheit, Smokovec, Empfehlungsbrief, Aussee udgl.

Ilonka hat Chokolade geschickt, das ist sehr lieb von ihr; wie eine kleine Vasallin schickt sie den Tribut und wagt gar nichts dazu zu sagen. Wie still sie war und in der Erinnerung ist sie noch stiller geworden.


. . .


Letzthin war Janouch hier, nur für einen Tag vom Land, er hat sich brieflich angezeigt, er ist gar nicht böse und besonders Ihr Brief hat ihm viel Freude gemacht. Er kam zu mir ins Bureau, weinend, lachend, schreiend, brachte mir einen Haufen Bücher, die ich lesen soll, dann Äpfel und schließlich seine Geliebte, eine kleine freundliche Försterstochter, er wohnt draußen bei ihren Eltern. Er nennt sich glücklich, macht aber zeitweise einen beängstigend verwirrten Eindruck, sieht auch schlecht aus, will einen Maturakurs machen und dann Medizin ("weil es eine stille, bescheidene Arbeit ist") oder Jus ("weil es zur Politik führt") studieren. Welcher Teufel heizt dieses Feuer?

Holzmann wird in Heidelberg studieren? Bei Hegner war er also nicht? Schade. Dann gehört er schon zum Teil Stefan. George, es ist kein schlechter, aber ein strenger Herr.

Was machen die Matlarer, Glauber vor allem, seine Poprader Pläne, wie hat die Münchner Akademie geantwortet? Ist Szinay schon dort?

Viele Grüße Ihres

K




Janouch: Vergleiche: Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka. Frankfurt, 1951


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at