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An Robert Klopstock

[Prag, Anfang September 1921]
 

Lieber Robert, nicht einmal Ihren rekommandierten Brief habe ich noch bestätigt. . .

Mit Pick habe ich gesprochen, er weiß sogar von meinem Brief an Hegner. Hegner hat - was man nicht voraussehn konnte - die gute, den andern allerdings etwas nervös machende Gewohnheit, wenn er nicht "Ja" sagen kann, überhaupt zu schweigen. Nebenbei hat er einmal zu Pick gesagt: "Kafka schreibt mir, ich soll einen Freund von ihm ein Jahr lang in der Druckerei anstellen. Was soll ich auf so etwas antworten?" Mit dieser rhetorischen Frage war unsere Angelegenheit erledigt. Holzmann hat aber - wie Pick - sagt gar nichts zu fürchten, wird sogar herzlich empfangen werden. Vielleicht haben Sie schon Nachricht darüber.

Mir geht es gesundheitlich nicht sehr gut; wenn ich nicht gleich nach der Rückkehr aus denn Bureau mich ins Bett legen würde und dort schon bliebe, könnte ich nicht bestehn. Die ersten Tage habe ich es nicht getan und es hat sich gerächt. Dabei ist ja noch sehr schönes Wetter. Auch müde bin ich, nicht einmal die Hand kann ich heben, um Ansichtskarten nach Matlar zu schicken. Grüßen Sie bitte alle.

In Flauberts Tagebüchern lese ich diese schöne Anekdote: Eines Tages besuchte Chateaubriand mit einigen Freunden den Sec von Gaube (einen einsamen Bergsee in den Pyrenäen); alle saßen beim Essen auf derselben Bank, wo wir (Flaubert) gefrühstückt haben. Die. Schönheit des Sees versetzte alle in Entzücken. "Ich möchte hier immer leben" sagte Chateaubriand. "Oh, Sie würden sich hier zum Sterben langweilen" erwiderte eine Dame aus der Gesellschaft. "Was heißt das", erwiderte der Dichter lachend, "ich langweile mich immer." Nicht das Geistreiche der Geschichte freut mich eigentlich, es ist ja auch nicht außerordentlich, aber die Fröhlichkeit, das geradezu majestätische Glück des Mannes.

Alles Gute

Ihr Kafka


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at