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Max Brod an Franz Kafka

[Prag]

9/3[1921]

Lieber Franz -

Dein Brief hat mich sehr erregt und deshalb antworte ich dir gleich. Aber daraus solls du nicht folgern, dass du mir gleichfalls bald antworten mußt. Im Gegenteil, ich erwarte keine Antwort mehr; sondern erst mündlich.

    N.B. Vom 19. bis 23. bin ich nicht in Prag, also sehen wir uns wohl am 24., nichtwahr?

    dass du deinen Zustand so pessimistisch schilderst, das erregt mich so. Ich sage mir freilich, dass die Müdigkeit ebenso ein Zeichen der Reconvalescenz sein kann wie der Krankheit und dass der subjektive Befund nicht so wichtig ist wie der objektive. Letzteres meint auch Dr Kral, dem ich deinen Brief zeigte. - Dr Kral sagte mir, dass Matliary überhaupt nicht das Richtige für dich war und dass er dir stets ein spezifisches Lungenheilsanatorium empfohlen hat. Solche gibt es bei Wien, bei Berlin, auch in Schlesien eines und Peš in Böhmen. Speziell aus dem letzteren kennt Dr Kral ein paar sehr gute Heilerfolge. Dr Kral glaubt, dass nur eine konsequente Tuberkulinbehandlung dir helfen kann. Er kennt aus eigener Praxis Fälle, in denen diese Injektionen zu absoluter Heilung geführt haben. Woher nimmst du eigentlich deine Ansicht, dass bei dir nicht helfen oder gar schaden soll, was andern nachgewiesenermaßen hilft? -An dem Bericht des Arztes aus Matliary beanstandet er außerdem noch, dass keine Fiebertemperaturen angegeben sind (auch du schreibst über solche nichts), dass das Sputum nicht untersucht wird u.s.f.

    Dr Kral ist der Ansicht, dass du jedenfalls nur einige Tage in Prag bleiben darfst und dann wieder in ein Sanatorium mußt, am besten nach Pleš das er immer wieder besonders rühmte. Ich glaube, dieses ist nicht weit von Prag auf der Strecke nach Tabor, und du wirst es dir ja jedenfalls ansehen können. Ich weiß nicht, welches deine Pläne sind. An das Büro denkst du doch hoffentlich noch nicht? Zu Hause las ich einen Brief von dir, in dem du doch an eine Fortsetzung der Kur denkst, wenn auch nicht in M. Das würde also mit der Ansicht des Doktors übereinstimmen.

    Jedenfalls freue ich mich unendlich, dich wiederzusehen. Die Gewichtszunahme ist ja doch ein objektives Besserungszeichen (auch vom Zunehmen wird man müde, bekanntlich) und hoffentlich nützest du auch noch die letzten 2 Wochen und das herrliche Wetter aus. - Wir müssen, wenn du erst hier bist, gründlich und ungestört (Spaziergang, Vorstadtcafe?) mit einander reden. Den Brief von Essig, den du so abscheulich findest, sandte ich dir, weil er mir so gefiel. Wir haben also ziemlich weiten Weg zu einander. - Mit meinem Posten bin ich vorläufig so zufrieden, dass ich immer nur auf das "dicke Ende" warte, das doch nachkommen müßte. Auch in Berlin, das aber plötzlich (vorübergehend sah es katastrophal aus) sich in Leipzig verwandelt hat, geht es bis jetzt gut. "Beschrei" ich es damit? - Also auf Wiedersehen!

Dein Max        
 


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at