Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

Brief an Max Brod

[Matliary, Anfang März 1921]


Liebster Max,

hoffentlich bekommst Du diesen Brief gleichzeitig mit meinem gestrigen. Der gestrige gilt nicht, ich schrieb auch gar nicht, unter was für Voraussetzungen er geschrieben war. Ich lag auf meinem Kanapee, hingeschlagen von der Anstrengung des Essens, eine quälende Appetitlosigkeit läßt mir den Schweiß im Gesicht ausbrechen, wenn ich den Schrecken des gefüllten Tellers vor mir sehe, dabei esse ich seit 14 Tagen viel Fleisch, weil ein weniger fähiger Koch die mir zugetane Köchin ersetzt hat, dieses Fleisch wieder hat die Hämorrhoiden geweckt und ich hatte starke Schmerzen bei Tag und Nacht - nun so schrieb ich den Brief. Aber richtig ist er nicht gewesen. Denn wenn mir auch der Husten stärker, die Atemnot manchmal schwerer scheint, so steht doch dem gegenüber auch Positives: der Befund des Arztes, die jetzt allerdings stockende Gewichtszunahme und die günstige Temperatur. Nun wir werden uns ja bald sehn. Solche Übertreibungen zu schreiben! Wer führt einem die Hand?

Dein F        
 


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at