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[Tagebuch, 14. Januar 1920; Mittwoch]

14. (Januar 1920) Sich kennt er, den andern glaubt er, dieser Widerspruch zersägt ihm alles.

Er ist weder kühn, noch leichtsinnig. Aber auch ängstlich ist er nicht. Ein freies Leben würde ihn nicht ängstigen. Nun hat sich ein solches Leben für ihn nicht ergeben, aber auch das macht ihm keine Sorgen; wie er sich überhaupt um sich selbst keine Sorgen macht. Es gibt aber einen ihm gänzlich unbekannten jemand, der sich um ihn nur um ihn große fortwährende Sorgen macht. Diese ihn betreffenden Sorgen des Jemand, besonders das Fortwährende dieser Sorgen verursachen ihm manchmal in stiller Stunde quälende Kopfschmerzen.

Er lebt in der Zerstreuung. Seine Elemente, eine frei lebende Horde, umschweifen die Welt. Und nur weil auch sein Zimmer zur Welt gehört sieht er sie manchmal in der Ferne. Wie soll er für sie die Verantwortung tragen? Heißt das noch Verantwortung?

Alles; selbst das Gewöhnlichste, etwa das Bedientwerden in einem Restaurant muß er sich erst mit Hilfe der Polizei erzwingen. Das nimmt dem Leben alle Behaglichkeit.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at