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An Milena Jesenská
Milena, nur in Eile. Brief kam heute keiner, ich muß daran immer
die Beschwörung knüpfen, dass es nichts außergewöhnlich
Schlimmes bedeuten soll. Gestern abend oder besser nachts saß ich
wohl eine Stunde über Deinen letzten Briefen.
Das Telephon Kunststück ist gelungen, ich treffe Vlasta heute um 6
Uhr vor dem Repräsentationshaus. Es war kein ganz leichtes Telephongespräch,
kein Telephongespräch ist mir leicht. Zunächst war ein kleines
Hin- und Her des Mißverstehns warum ich ein fremder Mensch mit ihr
reden oder irgendwo zusammenkommen wolle. Sie hatte nämlich Deinen
Namen überhört und ich der ich das nicht wußte wunderte
mich über ihre abweisenden Reden. Aber als sie verstand um was es
gierig war sie sogar sehr froh und es war ihr sehr wichtig und nachdem
sie zuerst eine Zusammenkunft für Samstag vorgeschlagen hatte, änderte
sie es noch um und so kommen wir heute zusammen.
Gestern sah ich bei Max einen Brief Deines Mannes wegen der Autorisation.
Ruhige Schrift, ruhige Sprache. Hier wird Max wohl helfen können.
Eben bekomme ich eine Karte von Pick - er ist schon in Prag war aber noch
nicht bei mir - wo es heißt: "dass Ernst Weiß wohlbehalten
in Prag ist, wissen Sie wohl bereits." Ich wußte es nicht.
Von Jarmila bekam ich 3 Zeilen, in denen sie sich entschuldigt, eine Stunde
lang hier gewesen zu sein, aber in Wirklichkeit war es bei weitem - keine
halbe Stunde. Nun antworte ich ihr allerdings, es ist ganz gut, es wird
dem gestrigen Gespräch den noch fehlenden Abschluß geben.
Was ich mit Vlasta sprechen werde weiß ich allerdings nicht, aber
ich glaube irgendwelche wirklich schädigenden Dummheiten sind hier
kaum zu machen.
Ein schlechtes Blatt, die Tribuna, noch immer kein Bericht
über "Jedermann".
1] Die Tribuna: Kafka erwartete darin wohl ihren
Bericht über die Inszenierung von Hofmannsthals "Jedermann",
der am 22. August 1920 anläßlich der Salzburger Festspiele zum
erstenmal auf dem Domplatz aufgeführt worden war.
Freitag
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at