Voriger Eintrag | Jahresübersicht | Indexseite | Nächster Eintrag |
An Milena Jesenská
Nur in Eile ehe ich ins Bureau gehe, ich wollte schweigen, seit 3 Tagen
würge ich daran, wenigstens jetzt während Du diesen schrecklichen
Kampfdom kämpfst, wollte ich schweigen, aber es ist unmöglich,
es gehört dazu, es ist eben mein Kampf. Du merkst vielleicht dass
ich seit paar Nächten nicht schlafe. Es ist einfach die "Angst".
Das ist wirklich etwas, was mich willenlos macht, mich herumwirft nach
Belieben, ich kenne nicht mehr oben und unten, rechts und links. Es begann
diesmal mit Staša. Tatsächlich steht ja über ihr geschrieben:
"Gebet jede Hoffnung auf die ihr hier eintretet". Außerdem
mischten sich in Deine letzten Briefe 2, 3 Bemerkungen, die mich glücklich
aber doch nur verzweifelt glücklich machten, denn was Du darüber
sagst, überzeugt gleich Verstand, Herz und Körper aber hier ist
noch eine tiefere Überzeugung, ich kenne ihren Ort nicht, die offenbar
nichts überzeugen kann. Endlich, was sehr mitgewirkt hat mich zu schwächen,
die wunderbare beruhigend-beunruhigende Wirkung Deiner körperlichen
Nähe verflüchtigt sich mit den Tagen. Wärest Du schon hier!
So habe ich niemanden niemanden hier, als die Angst, gegenseitig in einander
verkrampft wälzen wir uns durch die Nächte. Es ist doch etwas
sehr Ernstes um diese Angst [ (die merkwürdiger Weise
nur immer gegen die Zukunft gerichtet war, nein, das ist nicht richtig],
die in gewissem Sinn auch dadurch verständlich wird, dass sie
mir fortwährend die Notwendigkeit des großen Zugeständnisses
vormalt: auch Milena ist nur ein Mensch. Was Du darüber sagst ist
ja so schön und gut, man wollte überhaupt nichts anderes mehr
hören, nachdem man das gehört hat, aber, dass es hier nicht
um das Höchste geht, ist doch sehr fraglich, diese Angst ist doch
nicht meine private Angst - sie ist es bloß auch und fürchterlich
- aber es ist ebenso die Angst alles Glaubens seit jeher.
Schon dass ich Dir das aufgeschrieben habe, kühlt den Kopf.
Dein
(die merkwürdiger . . . nicht richtig gestrichen,
aber so, dass der Text noch gut lesbar ist
Donnerstag
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at