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An Milena Jesenská
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Endlich Dein Brief. Nur gleich in Eile ein paar Worte zur Hauptsache, mag
auch die Eile vielleicht Unrichtigkeiten einmischen, die ich später
bedauern werde: Es ist ein Fall, wie ich in den gegenseitigen Verhältnissen
von uns drei keinen ähnlichen kenne, deshalb muß man auch nicht
ihn mit Erfahrungen aus andern Fällen (Leichen - Qual zu dritt, zu
zwei - auf irgendeine Art verschwinden) trüben. Ich bin nicht sein
Freund, ich habe keinen Freund verraten, aber ich bin auch nicht bloß
sein Bekannter, sondern sehr mit ihm verbunden, in manchem vielleicht mehr
als Freund. Du wieder hast ihn nicht verraten, denn Du liebst ihn, was
Du auch sagen magst und wenn wir uns vereinigen (ich danke Euch, Ihr Schultern!)
ist es auf einer anderen Ebene, nicht in seinem Bereich. Ergebnis dessen
ist, dass diese Angelegenheit wirklich nicht nur unsere geheim zu
haltende Angelegenheit ist, auch nicht nur Qual Angst Schmerz Sorge - Dein
Brief hat mich sehr aufgeschreckt aus verhältnismäßiger
Ruhe, die noch herkam aus unserem Beisammensein und die nun wieder vielleicht
in den Meraner Wirbel gelenkt wird, immerhin, es sind kräftige Hindernisse
da für die Wiederkehr der Meraner Zustände - sondern ist eine
offene, in ihrer Offenheit klare Angelegenheit zudritt, selbst wenn Du
noch ein Weilchen schweigen solltest. Auch ich bin sehr gegen das Durchdenken
der Möglichkeiten - bin dagegen, weil ich Dich habe, wäre ich
allein, könnte mich nichts vom Durchdenken abhalten - man macht sich
schon in der Gegenwart zum Kampfplatz der Zukunft, wie soll dann der zerwühlte
Boden das Haus der Zukunft tragen?
Ich weiß jetzt nichts mehr, ich bin den 3tten Tag im Bureau und habe
noch keine Zeile geschrieben, vielleicht wird es jetzt gehn. Übrigens
war während ich diesen Brief schrieb Max hier zu Besuch, sein Schweigen
ist selbstverständlich, für alle außer Schwester Eltern
Mädchen und ihn bin ich über Linz gekommen.
F
Darf ich Dir Geld schicken? Etwa durch Laurin, dem ich sage dass Du
mir in Wien Geld geborgt hast und der es Dir mit Deinem Redaktionshonorar
schickt?
Ein wenig erschreckt bin ich auch durch das was Du wegen der Angst zu schreiben
ankündigst.
1] Mädchen: Julie Wohryzek, vgl. Brief vom
[31. Mai 1920], Anm. 3.
Donnerstag vormittag
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at