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An Milena Jesenská
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Die Straße ist lärmend, auch wird schräg gegenüber gebaut, das Gegenüber
ist nicht die russische Kirche sondern Wohnungen voll
Menschen, trotzdem - allein in einem Zimmer zu sein, ist vielleicht die
Voraussetzung des Lebens, allein in einer Wohnung zu sein eine - um genau
zu sein: zeitweilige - Voraussetzung des Glücks (eine Voraussetzung,
denn was hülfe mir die Wohnung, wenn ich nicht lebte, nicht eine Heimat
hätte in der ich ruhte, etwa zwei helle, blaue, aus unbegreiflicher Gnade
lebendige Augen) so aber gehört die Wohnung zum Glück, alles still, das
Badezimmer, die Küche, das Vorzimmer, die 3 weiteren Zimmer, nicht wie
in den gemeinsamen Wohnungen dieser Lärm, diese Unzucht, diese Inzucht
der haltlosen, längst nicht mehr beherrschten Körper Gedanken und Wünsche,
wo in allen Winkeln, zwischen allen Möbeln unerlaubte Verhältnisse, unpassende,
zufällige Dinge, uneheliche Kinder entstehn und wo es immerfort zugeht
nicht wie in Deinen stillen leeren Vorstädten am Sonntag, sondern wie in
den wilden überfüllten atemberaubenden Vorstädten an einem ununterbrochenen
Samstagabend.
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Die Schwester ist gekommen den langen Weg mir Frühstück zu bringen (was
nicht nötig war, denn ich wäre nachhause gegangen) und hat paar Minuten
läuten müssen ehe sie mich aus Brief und Weltverlorenheit weckte.
F
Die Wohnung gehört mir ja nicht, oft wird auch während des Sommers der
Schwager hier wohnen
1] nicht die russische Kirche: Seinem Zimmer in
der Wohnung der Eltern (Niklasstraße - Ecke Altstädter Ring) gegenüber
lag die Niklaskirche in der Altstadt. Kafka beschreibt diese Aussicht,
kurz nachdem er im November 1913 dieses Zimmer bezogen hatte, in einem
Brief an Grete Bloch. Vgl. »Briefe an Felice«, S. 479 f.
Donnerstag früh
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at