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An M. E.
Liebe Minze,
das Bild ist prachtvoll, 500 Kleopatren wert, es hat mir viel Freude gemacht.
Die nachdenklichen (übrigens ein wenig ungleichen) Augen, der nachdenkliche
Mund, die nachdenklichen Wangen, alles denkt nach, es gibt ja auch so viel
nachzudenken in dieser merkwürdigen Welt. Als ich ein Kind war, hatten
wir zuhause eine kleine Sammlung Bildchen Shakespeare'scher Frauen, eine,
ich glaube es war Porcia, hat mir immer besonders gut gefallen, das Bild
erinnert mich an die längst Vergessene, sie hatte auch kurze Haare.
Morgen fahre ich nach Meran. Daß ich allein fahre ist entgegen Ihrer
Meinung (die eigentlich keine Meinung ist, sondern die Äußerung
eines guten Herzens) das Beste daran, allerdings ist hier auch das Beste
noch lange nicht gut.
Aus Meran werde ich Ihnen schreiben. Außer dem Bild ist das Schönste
in Ihrem Brief die Nachricht, dass Sie auf Ahlem noch nicht verzichtet
haben. Vielleicht erklärt sich Ihr Gesichtsausdruck auf dem Bild auch
dadurch, dass die Augen von Teplitz weg in die Böhm.-Sächsische
Schweiz gerichtet sind, denn das Bildchen scheint ja für die Reiselegitimation
bestimmt gewesen zu sein.
Alles Gute
Kafka
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at