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[An Ottla Kafka]

[Schelesen, 13. November 1919]
 


Dieser Brief trifft Dich hoffentlich nicht mehr, denn Du bist schon allein oder mit Oskar auf der Reise, d. h. wenn Du erst Samstag fährst, kann er Dich noch treffen. Sonntag abend fahren wir dann zusammen nach Prag.

Über Dein Nichtschreiben klage ich nur deshalb, weil ich annehmen mußte, dass in Deinen Dingen etwas Wesentliches (da doch alles wesentlich ist) geschehen sei und ich daran teilhaben wollte. Es geht mir wenn ich allein bei mir bin erträglich, im Beisammensein mit den andern bin ich sehr traurig. Aber Du wirst ja alles sehn. Also komm.

Der vorlesende Vater ist eine große Erscheinung, ich hatte sie als Kind nie.

Von Frl. W. schreibst Du nichts.

F


Grüß alle, danke ausdrücklich der Mutter für ihre liebe Karte.




Da Kafka schon am Montag, dem 17. November, hätte wieder arbeiten sollen - er erbat sich dann aber am 14. schriftlich vier Tage Verlängerung und erschien schließlich erst am 21. des Monats im Büro (vgl. D 72) -, muß der vorliegende Brief mit ziemlicher Sicherheit am Donnerstag, dem 13., abgefaßt worden sein.


Frl. W. : Julie Wohryzek oder, wahrscheinlicher, ihre Schwester, an die Kafka am 24. XI. 1919 einen längeren Brief schrieb. Vgl. die Anmerkungen zu Nr. 68.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at