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[An Ottla Kafka: Postkarte]

[Stempel: Tetschen-Deutschbrod - 6. III. 19]
 


Liebe Ottla, sei so gut, schreib mir etwas über die Dinge zuhause. In dem letzten Brief vom Dienstag schreibt die Mutter so merkwürdig aufrichtig über eigene Aufregung und noch größere Aufregung des Vaters, so als wäre noch viel mehr verschwiegen. Wie war es zuhause? Auch Du scheinst ja merkwürdig lange dort geblieben zu sein, erst Mittwoch bist Du weggefahren. - Das Reformblatt, das ich Dir geschickt habe, hast Du wohl bekommen? Herzliche Grüße

Dein Franz




die Dinge zuhause: Vor allem hinsichtlich der Stellung der Eltern zu Ottlas geplanter Heirat (vgl. auch Anmerkungen zu Nr. 68 und Nr. 72). Zwar hatte die Mutter Ottla schon Ende Dezember 1918 "beinahe angeboten", ein Gut im Böhmerwald für die Tochter und ihren zukünftigen Mann zu erwerben (Ottla an David am 27. XII. 1918), doch muß es dann in den folgenden Tagen zu den bisher schwersten Auseinandersetzungen zwischen den Eltern und ihrer jüngsten Tochter gekommen sein. Julie Kafka schrieb am 9. I. 1919 nach Friedland: "Es freut mich, dass Du es einsiehst, dass Du Dießmal Verschiedenes gethan hast, was uns nicht recht war." Ottla klagt David gegenüber am 21. des Monats in bezug auf die Eltern: "Ich bin ihretwegen traurig, weil ich nicht genug gut zu ihnen war. Natürlich, vielleicht ging es gar nicht anders, aber hier möchte ich es gern gut machen und das geht erst recht nicht. Mutter antwortet mir auf jeden meiner Briefe. Sie ist mir gewiß nicht böse." Und noch am 24. will sie die Mutter brieflich fragen, "ob sie es wenigstens ein bißchen gutheißen würde", wenn sie besuchsweise nach Prag führe. Vgl. auch die Anmerkungen zu Nr. 38.


merkwürdig lange dort geblieben: Der Besuch dauerte vom 28. Februar bis zum 5. März.


Reformblatt: Vgl. Br 367 f.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at