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[An Ottla Kafka: Postkarte]
Liebe Ottla, sei so gut, schreib mir etwas über die Dinge
zuhause. In dem letzten Brief vom Dienstag schreibt die Mutter so merkwürdig
aufrichtig über eigene Aufregung und noch größere Aufregung
des Vaters, so als wäre noch viel mehr verschwiegen. Wie war es zuhause?
Auch Du scheinst ja merkwürdig lange dort geblieben
zu sein, erst Mittwoch bist Du weggefahren. - Das Reformblatt,
das ich Dir geschickt habe, hast Du wohl bekommen? Herzliche Grüße
Dein Franz
die Dinge zuhause: Vor allem hinsichtlich der Stellung
der Eltern zu Ottlas geplanter Heirat (vgl. auch Anmerkungen zu Nr. 68
und Nr. 72). Zwar hatte die Mutter Ottla schon Ende Dezember 1918 "beinahe
angeboten", ein Gut im Böhmerwald für die Tochter und ihren
zukünftigen Mann zu erwerben (Ottla an David am 27. XII. 1918), doch
muß es dann in den folgenden Tagen zu den bisher schwersten Auseinandersetzungen
zwischen den Eltern und ihrer jüngsten Tochter gekommen sein. Julie
Kafka schrieb am 9. I. 1919 nach Friedland: "Es freut mich, dass
Du es einsiehst, dass Du Dießmal Verschiedenes gethan hast,
was uns nicht recht war." Ottla klagt David gegenüber am 21.
des Monats in bezug auf die Eltern: "Ich bin ihretwegen traurig,
weil ich nicht genug gut zu ihnen war. Natürlich, vielleicht ging
es gar nicht anders, aber hier möchte ich es gern gut machen und das
geht erst recht nicht. Mutter antwortet mir auf jeden meiner Briefe. Sie
ist mir gewiß nicht böse." Und noch am 24. will sie die
Mutter brieflich fragen, "ob sie es wenigstens ein bißchen
gutheißen würde", wenn sie besuchsweise nach Prag führe.
Vgl. auch die Anmerkungen zu Nr. 38.
merkwürdig lange dort geblieben: Der Besuch
dauerte vom 28. Februar bis zum 5. März.
Reformblatt: Vgl. Br 367 f.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at