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[An Ottla Kafka: Ansichtspostkarte: Weimar, Goethes Gartenhaus, Schlafzimmer]
Liebe Ottla, so etwa wollte ich es hören und es ist gut. Wann ich
komme weiß ich noch nicht, der Direktor macht Schwierigkeiten, heute
gehe ich zum Professor, vielleicht bin ich wirklich zu gesund
und muß die schwere Probe der Kündigung bestehn. Geht es nicht
anders, tue ich es. Wegen Oskar werde ich Dir vielleicht wirklich telegraphieren
müssen, aber würdest Du dann im Geheimen eine Nacht
in Prag bleiben? Ich werde es zu vermeiden suchen. - Die Phantasie
von der glücklichen Mutter im Badezimmer hat mein 2ter Brief schon
widerlegt. - An die Wäsche denke ich manchmal. Da sie geflickt war,
muß sie, wenn sie wieder geflickt wird, in der Zwischenzeit wieder
zerissen worden sein. Kündige ich hier, werde ich auf die Wäsche
noch mehr achtgeben müssen als früher. übrigens - die Prager
Zeit habe ich bisher nicht schlecht bestanden, das gibt Hoffnung.
Franz
Grüße Toni und Hr. Hermann
zu gesund: Vgl. Br 204 (vom Anfang Dezember 1917):
"Ginge es nach dem Professor, müßte ich eigentlich schon
im Bureau sitzen."
im Geheimen eine Nacht in Prag bleiben: Seit dem
1. Januar 1918 war es nicht mehr möglich, mit der Eisenbahn in einem
Tag in die Hauptstadt und zurück zu gelangen. Für den Fall nun,
dass sich Kafka wegen seiner ungeklärten Zukunft zulange in Prag
würde aufhalten müssen, bittet er Ottla, heimlich nach Prag zu
fahren und den blinden Schriftsteller Oskar Baum, der dort reisebereit
wartete (vgl. Nr. 54), nach Zürau zu begleiten, von wo aus sie ihn
übrigens am 13. Januar wieder nachhause brachte (vgl. H 98).
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at