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An Josef Körner

[Zürau, Ende Januar 1918]
 

Sehr geehrter Herr Doktor!

dass mir das Donauland jemals eine solche Freude machen könnte, hätte ich nicht gedacht. Nur gerade gestern morgens fiel es mir im Halbtraum ein, wie es wäre, wenn ich doch die Arnim-Arbeit bekäme und dazu einen etwa so und so lautenden Brief. Und dann kam er wirklich. Besten Dank.

Was Sie über Oskar Baum sagen, ist ganz richtig; jemehr hier geschehen kann, desto besser. Wäre es übrigens - trotzdem das wahrscheinlich nicht mehr in Ihr Redaktionsgebiet gehört - nicht möglich Dr. Felix Weltsch (Universitätsbibliothekar) zur Mitarbeit aufzufordern; von seiner Seite wäre vielfache Mitarbeit möglich, die dem D. durchaus nur Ehre bringen könnte. Nächstens erscheint von ihm bei Wolff eine Schrift "Organische Demokratiere auch am 2. Band von Hillers "Ziel" ist er beteiligt. Diese Dinge kämen natürlich für das D. nicht in Betracht, aber manches andere.

Der Arnimaufsatz ist sehr zart und wahrhaftig; das hätte nicht jede Hand bis zum Ende aufrechterhalten können; ohne Liebe und weitere Einsicht gewiß nicht. Es ist doch etwas Phantastisches von Drückebergerei und Kriegslust, er steht förmlich die ganzen Jahre in vollständiger Ausrüstung hinter der Tür und bleibt dort. Die Anordnung der Zitate verteidigt gut, ohne advokatorisch zu sein. Es ist eben der Grundkampf, das Leiden daran, dass es nicht zweierlei Wahrheit gibt, sondern höchstens dreierlei: es ist notwendig sich zu opfern, es ist notwendiger sich zu schonen und es ist noch notwendiger sich aufzuopfern. Darüber ist auch Arnim nicht weggekommen und seine Meinung über sich wird im Lauf der Zeit nicht besser geworden sein. Den Vergleich mit dem Ehestand hätte ich, allerdings erst auf Grund seines Einfalls, anders geschrieben: "Der Krieg ist wie der Ehestand, traurig, aber anders, als der Junggeselle fürchtet."

Einen Fehler - und das führt zu Ihrer Frage wegen Wolff - hat der Aufsatz, er ist aus zu großer Kenntnis geschrieben, die sich natürlich dort nicht mitteilen läßt. - Aussichtslos wäre es gewiß nicht, aber schwierig, gar jetzt, wo der Papiermangel so groß ist, Wolff von verschiedenen Außer-Verlagsdingen in Anspruch genommen ist und sein neues Unternehmen "Der Neue Geist" ihm am Herzen liegt. Ich bin jetzt ohne Verbindung mit ihm, mein letzter Brief, Antwort auf einen dringenden Brief von seiner Seite ist seit etwa 4 Monaten unbeantwortet. Aber möglich wäre es wohl doch. Ich denke dabei daran, dass Wolff eigentlich Literarhistoriker ist (ich glaube, Herausgeber von Mercks Schriften im Inselverlag und einer Schrift über Eulenberg in der Bonner Seminarsammlung) und man also literarhistorisch mit ihm reden könnte, gar über etwas so Beziehungsreiches, wie es Arnim zu sein scheint. Die Gesamtausgabe würde er wohl ablehnen; die würde ihm wohl auch nicht gebüren, aber vielleicht eine Briefausgabe mit einleitender Abhandlung. Er hat doch erst letzthin den Lenz'schen Briefwechsel herausgegeben, hier ließe sich vielleicht anknüpfen. Lesen Sie doch vielleicht diesen Briefwechsel, auf den ich übrigens persönlich sehr begierig bin, und schreiben Sie darüber einen Aufsatz im Donauland, eine bessere Einleitung (und eine würdigere auch) der Verhandlungen mit Wolff könnte ich mir nicht denken. Irgendwie muß man aufschreien, damit ein solcher unter Autoren begrabener Verleger zuhört. Ich wäre sehr froh, wenns gelänge.

Herzlichst

Ihr Dr. Kafka


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at