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[Stempel: Flöhau, 13(?).2.18]

[An.] Herrn Dr Max Brod k.k. Postkoncipist Prag k.k. Postdirktion

[Abs.:] Dr Kafka Zürau P. Flöhau


Lieber Max, Dein letzter Brief schien verhältnismäßig so ruhig, so keines Beistandes bedürftig und andererseits so unruhig, nämlich dem Übermaß Deiner Arbeit (für das ich ja keinen praktischen Vergleich habe) abgespart dass ich lieber nicht gleich geantwortet habe, um Dich weder in dem einen noch dem andern zu stören. Übrigens komme ich wenn nicht bis dahin ein Gegenbrief aus der Anstalt kommt, nächste Woche nach Prag; ich soll mich ja wieder stellen. Dann können wir auch über die zwei Dinge sprechen, die mir in Deinem Brief besonders gefehlt haben: Nachrichten über Oskar und, so als hättest Du meinen letzten Brief gar nicht bekommen, irgendeine Nachricht über Deinen Besuch.

    Dante ist sehr schön, aber es geht doch allem Anschein nach um anderes und erst weit in der Allgemeinheit kannst Du Dich mit ihm treffen. Und wie leicht oder wie notwendig man dort ihn trifft! Letzthin las ich in einem Vrchlicky-Brief, dass ihm, in Livorno glaube ich, ein armer zerlumpter Handwerker weinend Gesänge aus Dante rezitierte.

    Die Königsberger Annahme ist gewiß ein großer Erfolg, denn es ist doch eine der ersten literarischen Versuchsbühnen, die Dich jetzt in Deinem wesentlichsten Drama vorführen wird. Es freut mich sehr.

    Über alles andere sprechen wir. Jedenfalls: in Zürau macht man sich über mich keine Sorgen; man (unbekannte Verfasser) hat über fast jeden Zürauer einen Vers gemacht, meiner ist, bis auf seine Reimschwäche, tröstlich:

"Der Doktor ist ein guter Mon

Gott wird sich seiner erborm."

Herzlichste Grüße

Franz        
 



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Vrchlicky-Brief... Dante: Jaroslav Vrchlický (1853-1912), der u.a. als Lyriker und Übersetzer aus romanischen Sprachen - vor allem von Werken Dantes - eine führende Persönlichkeit in der tschechischen Literatur gewesen war.


Königsberger Annahme: Von Eine Königin Esther, siehe Brods Brief vom 31. Januar 1918. Die Uraufführung fand am 20. April im Neuen Schauspielhaus statt.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at