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Max Brod an Franz Kafka
[Prag]
Lieber Franz -
Montag Abend statt Mittag in ungeheiztem Lastzug hier angelangt (von Aussig).
- Die drei Tage Abwesenheit rächen sich und ich weiß nicht,
was ich zuerst machen soll.
Ich will dir aber gleich schreiben. Du mußt
verzeihen, wenn es etwas abrupt klingt und auch ist.
Ich halte es so: Wahrheit gegen meine Frau hin.
Diese Wahrheit ist ein Verzicht auf viele falsche Zärtlichkeiten,
aber das Echte, das zwischen uns war und ist, kräftigt sich in diesem
gegenseitigen Schmerz und es ist nicht ausgeschlossen, dass es zu
einer LiebesNachblüte ausreift. [Tintenklecks:] Hier hat der Zufall
eine Art Fragezeichen gemacht. Ich habe jetzt die Überzeugung, dass
wir im Bleiben oder Gehen einander werden ins Auge sehen können. Wie
es ausfallen wird, überlasse ich der Entwicklung und trage nichts
bei als meine Wahrheit.
Schlimmer steht es mit der andern. Sie schläft
nicht, magert ab, verfällt. Ich habe mich noch nicht zu einem endgiftigen
Verzicht aufgerafft, sehe ihn aber herannahen. - Wie ich das dann in mir
austragen werde, weiß ich nicht. Nur an ihr oder an meiner Frau schuldig
werden, das will ich unter allen Umständen vermeiden, soweit es in
meiner durch Sünden geminderten Kraft noch liegt. Sehe ich einmal
klar (und fast sehe ich es schon), dass dieser Eros nicht hinreicht,
um die Pflicht in mir bedenkenlos zu töten, so werde ich das sagen
und gehen.
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Schreibe mir nächstens, wenn du es kannst,
in welchem Tartarus du dich herumschlägst und ob dir Kierkegaard etwas
hilft. Deine Notiz über den "abscheulichen" Buber u. Kierkegaard
habe ich nicht verstanden und vielleicht knüpfst du nochmals da an.
Deiner Schwester vielen Dank für die Rebhühner.
Wir sind nun wirklich schon völlig von der Vortrefflichkeit Zürauischer
Produkte überzeugt und bitten, weitere Beweise nur noch als geschriebene
Argumentation vorzubringen. Der Sachbeweis ist schon hinreichend geliefert
und mit Dank verspeist worden.
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Dieser Schriftstellerverein
ist ärgerlich. Die "Wiener Morgenzeitung" ist nicht zionistisch;
ob ihr Judentum ein gutes ist, weiß ich nicht. Und schließlich
ist doch ihr Vorgehen ein unfaires, gegen die Standesinteressen der Schriftsteller
gerichtetes, so dass ich fast zur Eintreibung des Honorars zuraten
möchte. Ich habe damals das Honorar eingetrieben, aber auf einen Jammerbrief
des Blattes hin returniert. Die Nummern sende ich dir!
Max
[Auf der Rückseite des Formulars geschrieben, das Kafka geschickt
hatte (siehe Kafkas Schreiben von ca. 26.1.1918):]
Noch ein Nachtrag
Esther ist vom Neuen Schauspielhaus in Königsberg
angenommen. Spätestens 15/III Uraufführung. Die Frankfurter haben
nichts mehr von sich hören lassen. Jenufa-Interpellation
im Wiener Parlament, spassig?
Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.
Dieser Schriftstellerverein: Siehe Kafkas Briefe vom 26. und 28. Januar.
Jenufa-Interpellation: Am 29. Januar 1918 beschwerten sich deutschradikale Abgeordnete über die Bevorzugung fremdnationaler Komponisten im Hofoperntheater und stellten die bevorstehende Wiener Premiere von Jenufa als eine "Provokation der Deutschen Wiens" hin. Siehe hierzu Charles Susskind, Janáček and Brod, New Haven and London: Yale University 1985, S. 49-51.
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |