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[An Ottla Kafka: Postkarte]
Liebe Ottla das muß gleich beantwortet werden. Ich habe mich schon
ganz von Dir verlassen gefühlt und an eine spätere Zukunft denkend
(immer an die Zukunft denkend) habe ich mir gesagt: Sie wird mich also
doch verkommen lassen. Aber das ist, auch abgesehn von Deinem Brief, ganz
falsch, denn Du hast mit dem Haus oben eine bessere Zeit
für mich eingeleitet, die sogar jetzt fortdauert, wo ich (wegen der
schönen Tage und der damit verbundenen Schlafschwierigkeiten) leider
das Arbeiten oben aufgegeben habe und Du überdies fort bist. Zu klagen
gibt es natürlich vieles, aber unvergleichlich besser als die letzten
Jahre ist es doch. Das muß aber erzählt werden, soweit es überhaupt
zusammengefaßt zu sagen ist. Vielleicht komme ich Sonntag,
aber natürlich doch nur "sehr vielleicht"; kein Entgegenfahren!
Felix und Frau wollen seit jeher dringend mit, vielleicht komme ich also
mit ihnen Max wohl kaum.
Franz
eine bessere Zeit für mich: Vor dem November
1916 hatte Kafka, soweit überliefert, zwei Jahre lang fast nichts
geschrieben; die Monate, in denen er in der Alchimistengasse arbeitete,
gehören hingegen zu den literarisch ertragreichsten: Von Dezember
1916 bis April 1917 entstanden zahlreiche Prosastücke und Fragmente,
darunter fast alle Erzählungen des Bandes Ein Landarzt.
Vielleicht komme ich Sonntag: Seine Absicht machte
Kafka aber weder am 20. noch am 27, Mai wahr, denn Irma schrieb an Ottla
am 21. des Monats: "Franz hatte die Absicht sie war nicht allzu stark
- am Sonntag hinzukommen er sagt jedoch jetzt müßte er mit den
Welschischen kommen, nachdem er es ihnen schon einmal versprochen hat.
Nachdem ich aber Sonntag hinfahre hab' ich ihm gesagt, er soll es noch
verschieben.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at