Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

[An Ottla Kafka]

[Stempel: Prag - 22.IV.17]
 


Liebste Ottla mußt Dir gar keine Vorwürfe machen, wenn Du mir gar nicht oder wenig schreibst. Es würde mir leid tun, wenn es anders wäre. Dagegen wäre es mir lieb, wenn Du z. B. an Karl nicht direkt berichtest, sondern den Brief, wie auch diesmal, zuerst nach Prag schicktst, damit man einen Überblick über Deine Arbeit bekommt. Alles was Du schreibst, scheint mir vernünftig, soweit es mein landwirtschaftliches Ahnungsvermögen beurteilen kann. Der Einfall, einen Teil des Gartens einzuzäunen, ist von mir oder vielleicht von der Elli und von mir oder wahrscheinlich jedes Menschen Einfall, auch der Deine. Muß es übrigens ein Pferd sein? Kühe oder Ochsen genügen nicht? Eine Zeitlang bekam man, glaube ich, für den Militärdienst unbrauchbare Pferde z. B. russische Beutepferde billiger; weiß man dort davon nichts? Von Růženka viele Ratschläge, aber nächstens. Und Kopf hoch, wie man in unserer Gasse sagt.

Dein Franz




Nachschrift zu einem Schreiben, das Kafkas älteste Schwester Elli an Ottla nach Zürau richtete.


wie auch diesmal: Ottlas erster Bericht wurde an Karl Hermann weitergeleitet, der Soldat war. (Vgl. die Anmerkungen zu Nr. 37)


Einfall: Elli hatte geschrieben: "Es ist schade, dass Du den Garten nicht so wirst bebauen können, wie Du gedacht hast. Würde es denn so viel kosten einen kleinen Teil davon einzuzäunen?" Vgl. Nr. 57.


ein Pferd: Am 11. XI. 1917 schrieb Ottla an David: "Die Pferde sind in gutem Zustand, besonders das neuere ist in guter Verfassung . . . Ich habe mit ihnen viel Sorgen. Vielleicht dass ich von der "Futterstell" doch etwas bekomme, verläßlich ist es aber nicht."


Kopf hoch: Anspielung auf die niedrigen Türen der (mittelalterlichen) Häuschen der Alchimistengasse. Ottla litt darunter, dass sie durch ihr Verhalten den Eltern Kummer bereiten mußte. Elli schrieb deswegen: "Deinen Brief haben wir dem Vater vorgelesen, der beste Beweis für Dich wie es mit ihm steht, wenn wir es uns getrauen konnten. Er hat kein einziges schlimmes Wort über ihn geäußert was ja auch unmöglich wäre. Er hat sich ganz ausgezankt, er zankt nie mehr. Er ist sehr brav, zu brav." Vgl. Nr. 54 und die Anmerkungen zu Nr. 71.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at