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[An Ottla Kafka]
Liebste Ottla mußt Dir gar keine Vorwürfe machen, wenn Du mir
gar nicht oder wenig schreibst. Es würde mir leid tun, wenn es anders
wäre. Dagegen wäre es mir lieb, wenn Du z. B. an Karl nicht direkt
berichtest, sondern den Brief, wie auch diesmal, zuerst
nach Prag schicktst, damit man einen Überblick über Deine Arbeit
bekommt. Alles was Du schreibst, scheint mir vernünftig, soweit es
mein landwirtschaftliches Ahnungsvermögen beurteilen kann. Der Einfall, einen Teil des Gartens einzuzäunen, ist von
mir oder vielleicht von der Elli und von mir oder wahrscheinlich jedes
Menschen Einfall, auch der Deine. Muß es übrigens ein
Pferd sein? Kühe oder Ochsen genügen nicht? Eine Zeitlang
bekam man, glaube ich, für den Militärdienst unbrauchbare Pferde
z. B. russische Beutepferde billiger; weiß man dort davon nichts?
Von Růženka viele Ratschläge, aber nächstens. Und Kopf hoch, wie man in unserer Gasse sagt.
Dein Franz
Nachschrift zu einem Schreiben, das Kafkas älteste Schwester Elli
an Ottla nach Zürau richtete.
wie auch diesmal: Ottlas erster Bericht wurde an
Karl Hermann weitergeleitet, der Soldat war. (Vgl. die Anmerkungen zu Nr.
37)
Einfall: Elli hatte geschrieben: "Es ist schade,
dass Du den Garten nicht so wirst bebauen können, wie Du gedacht
hast. Würde es denn so viel kosten einen kleinen Teil davon einzuzäunen?"
Vgl. Nr. 57.
ein Pferd: Am 11. XI. 1917 schrieb Ottla an David:
"Die Pferde sind in gutem Zustand, besonders das neuere ist in guter
Verfassung . . . Ich habe mit ihnen viel Sorgen. Vielleicht dass ich
von der "Futterstell" doch etwas bekomme, verläßlich ist es
aber nicht."
Kopf hoch: Anspielung auf die niedrigen Türen
der (mittelalterlichen) Häuschen der Alchimistengasse. Ottla litt
darunter, dass sie durch ihr Verhalten den Eltern Kummer bereiten
mußte. Elli schrieb deswegen: "Deinen Brief haben wir dem Vater
vorgelesen, der beste Beweis für Dich wie es mit ihm steht, wenn wir
es uns getrauen konnten. Er hat kein einziges schlimmes Wort über
ihn geäußert was ja auch unmöglich wäre. Er hat sich
ganz ausgezankt, er zankt nie mehr. Er ist sehr brav, zu brav." Vgl.
Nr. 54 und die Anmerkungen zu Nr. 71.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at