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An Josef Körner

[Zürau, Stempel: 17. XII. 1917]
 

Sehr geehrter Herr Doktor,

Sie waren einmal so freundlich zu mir ins Bureau zu kommen, um wegen D. mit mir zu sprechen; damals sagte ich, dass ich einen Beitrag schicken werde, schickte dann aber nichts. (Sie allerdings versprachen mir, Ihre Schrift über Amim zu schicken, schickten sie aber auch nicht). Dann erschien Ihr Aufsatz im D., in der mich betreffenden Stelle über alle erdenkbaren Grenzen Lob häufend, was mir eine Orgie der Eitelkeit verursachte und außerdem ein ängstliches Gefühl, Sie so verführt zu haben. Und jetzt kam Ihre Einladung.

Sie erlauben mir gewiß ein offenes Wort: D. scheint mir eine unheilbare Lüge zu sein, er kann die besten Leute um sich haben, der litterarische Teil kann, wie es von Ihnen zweifellos geschehen wird, mit bester Absicht und Kraft geführt werden - das Unreine kann nicht rein gemacht werden, wenn es aus seiner Quelle notwendiger Weise immer neue Unreinheit hervorbringen muß. Ich sage damit nichts gegen Österreich, nichts gegen Militarismus, nichts gegen den Krieg, nicht etwas davon ist es, was mich im D. abschreckt, es ist vielmehr die besondere Mischung, die ausgesucht frevelhafte Mischung, aus der die Zeitschrift hervorgekocht worden ist.

Es ist nicht Anmaßung, dass ich Ihnen sehr geehrter Herr Doktor das schreibe. Vom Prager Civilleben oder gar von meiner Landruhe aus (ich bin hier schon ein Vierteljahr, krank, aber nicht wesentlich bedauernswert) würden Sie es gewiß nicht viel anders ansehen, als Mitarbeiter allerdings als gezwungener Mitarbeiter zwar nur, müssen Sie es als immerhin geistige Angelegenheit, die Ihnen anvertraut wird, ernst nehmen und sehen nicht die Zeitschrift vor sich, sondern Ihren eigenen guten Willen, mit dem Sie ihr dienen.

Ich für mein Teil kann mir nur 3 Gründe für eine Mitarbeit denken: Erstens den Gedanken daran, dass Sie Redakteur sind. Aber gerade das muß mich abhalten, denn ich will Sie in meiner Erinnerung nicht mit der Tatsache zusammenbringen, dass ich Ihretwegen, und sonst freiwillig, an etwas erkennbar Unwahrem mich beteiligt habe, wozu dann auch noch die Rücksicht darauf kommt, dass Sie für Ihre Zeitschrift natürlich nicht den allergeringsten Schaden durch mein Ausbleiben erleiden, denn die Einladung geht ja nur auf Ihre besondere Freundlichkeit mir gegenüber zurück und auf nichts sonst.

Zweitens der Gedanke, dass die Mitarbeit vielleicht für meinen Militärdienst mir irgendwie nützlich sein könnte. Aber das entfällt bei mir, denn ich bin krank.

Drittens die Rücksicht auf ein mögliches Honorar. Aber augenblicklich brauche ich es nicht und für die Zukunft will ich so nicht sorgen.

Das alles könnten unter Umständen vollständig ehrenwerte Begründungen meiner Mitarbeit sein, sie kommen aber eben hier nicht in Betracht.

Es ist nun sehr geehrter Herr Doktor Ihre Sache mir durch Zusendung Ihrer Arnimschrift (Sie sagten, glaube ich, Sie hätten nur ein Exemplar, ich würde es aber sehr bald zurückschicken) zu zeigen, dass Sie im Grunde, selbst wenn Sie das Vorgebrachte nicht ganz billigen sollten, mir doch nicht böse sind. Das wäre mir sehr lieb.

Mit herzlichen Grüßen Ihr ergebener

F Kafka


Zürau P. Flöhau (Böhmen)


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at