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An Oskar Baum

[Zürau, Mitte September 1917]
 

Lieber Oskar, besten Dank für das Bierrezept. Wir werden es bald ausprobieren und die Gegend damit zu bezaubern suchen. Man muß bezaubern, wenn man etwas Wesentliches bekommen will. Für den hiesigen Gebrauch ist alles in ziemlicher Fülle da, aber um viel aufzusammeln, dafür reicht es nicht, besonders wenn sich solche Schmarotzer wie ich, der in der ersten Woche ein Kilogramm zugenommen hat (die Wage behauptet es), hier festgesetzt haben. Einiges werde ich aber für Euch, Felix und Max doch zusammensparen. Die Prager Verbindungen haben mich allerdings alle im Stich gelassen, besonders der große Lieferant. Irgendeine Anzeige schwebt über ihm, er muß sich deshalb einige Zeit im Dunkel halten.

Mit meinem Leben hier bin ich zufrieden, wie euch schon vielleicht Max erzählt hat. Ruhe allerdings, nach der Du besonders fragst, gibt es auch hier nicht und ich werde aufhören, sie im Leben noch zu suchen. Mein Zimmer ist zwar in einem stillen Haus, aber gegenüber ist das einzige Klavier von Nordwestböhmen untergebracht, in einem großen Hof, dessen Tiere einander überschreien. Fast alle Gespanne des Ortes fahren früh an mir vorüber und alle Gänse laufen dort zum Teich. Aber das Schlimmste sind zwei Klopfer irgendwo, einer klopft auf Holz, einer auf Metall, unermüdlich besonders der erste, er arbeitet über seine Kräfte, er übernimmt sich, aber ich kann kein Mitleid mit ihm haben, wenn ich ihm von sechs Uhr früh an zuhören muß. Hört er aber für ein Weilchen wirklich auf, ist es nur, um auch den Metallklopfer vorzulassen.

Trotzdem und trotz einigem andern, ich will nicht nach Prag, ganz und gar nicht.

Herzlichste Grüße Dir und Deiner lieben Frau von

Franz


Ihr habt doch wohl schon einen Brief von mir? Die Postverbindung ist hier nicht nur langsam (ein Brief von Prag kommt erst in drei bis vier Tagen an), sondern auch unsicher.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at