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An Felix Weltsch

[Postkarte. Prag, Stempel: 2. I. 1917]
 

Lieber Felix - gestern wollte ich euch zum neuen Jahr glückwünschen, aber es ging nicht. Ich sah Dich so friedlich, tief in Ruhe, lesen, dann sogar die Mappe öffnen, Papier herausnehmen und schreiben, dass es für mich gar keine Frage war, dass ich Dich nicht stören dürfe. Allerdings stand neben Dir eine Tasse und die Tür zum beleuchteten Wohnzimmer war halb offen - ich sagte mir also, falls Du Dich stärker mit der Tasse zu beschäftigen anfängst oder falls Deine Frau hereinkommt, dann dürfe auch ich vielleicht kommen. Das war aber ein Irrtum. - Denn als schließlich Deine Frau hereinkam, und Du, mit gutem Appetit in etwas hineinbeißend, mit ihr zu sprechen anfingst, schämte ich mich natürlich weiter zuzuschauen, konnte deshalb nicht feststellen, ob die Arbeitsunterbrechung eine längere war und ging deshalb. Nächstens. Viele Grüße. Übrigens gute Zeitungsnachrichten.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at