Voriger Eintrag Jahresübersicht | IndexseiteNächster Eintrag

 

[Von Elsa und Max Brod]

[Prag, 20.12.1917]


Lieber Franz Kafka!

Gestern abend hat also die von Ihnen nicht gebilligte lit. Veranstaltung des Mädch. Kl, stattgefunden. Ich schreibe diesen Brief auf Maxens Wunsch, er wird auch "dranschreiben". - Ein Fräulein Kerner trug Fuchs u. Bezruč vor im alten Theaterstil, gewohnte Töne bei Schmerz, Sehnsucht u.s.w., keine Überraschungen, es war beschämend wie immer die erwartete, leider altgewohnte Geste und der Ton eintraf. - Dann las ich den Affen, ohne vorherige Anzeige, ganz improvisiert. Felix u. Baum fanden, dass ich Sie (als Vorleser des Affen) ganz genau kopiert habe, Max fand es etwas zu lyrisch, nicht frech genug, doch war man sehr begeistert, was selbst bei schlechterer Aufführung selbstverständlich wäre; ich selber finde, dass ich ihn sehr gut lese, Bestätigung dessen ist nur, dass ich dabei buchstäblich affenmäßig fühle, ich rieche Affenschweiß und ströme ihn aus, natürlich nur während dieser Lektüre. Der Affe ist ein Meisterwerk. - Die Wirkung war gut, so gut! Vielleicht werden Sie auch von andern hören. Frau Fanta sagte, mit dem Affen soll ich reisen, ihn auch anderswo lesen. - Ich sehne mich schon danach, mit Ihnen zu sprechen, diesmal müssen Sie auch mir eine halbe Stunde schenken!


Herzlichst Ihre         Elsa Brod         

Lieber Franz - Ich fühle mich einer allzu wörtlichen Auslegung deines Briefes schuldig. Du erlaubtest, dass meine Frau deine Novelle vorliest; warst aber gegen die Veranstaltung. Wir haben daher nichts veranstaltet, nur improvisiert. In den Voranzeigen (Selbstwehr und Prager Tagblatt) warst du nicht erwähnt. Kritiken werden ja kaum erscheinen.

    - Über den Abend wäre noch zu sagen, dass Feigl sehr rollend und klingend Gedichte vorlas, die, soweit ich sie verstand, Schönes sagten und Gefühle erregten, die ich schon vorher gehabt hatte. So war es auch mit einer Don-Juan-Szene, die Feigl naturalistisch vorkeuchte; der Verführer am Rezitationspult ist was Seltsames. - Mir geht es schlimmgut. Weißt du, wie das ist? Ich auch nicht. -

Max        


Nun bist du mir schon auf eine Masse Sendungen, Briefe etc Antwort schuldig!



Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.


Veranstaltung: Vgl. Anm. 68 oben.


Fuchs u. Bezruč: Vgl. Anm. 9 oben


Kritiken: Eine Kritik ist in der Selbstwehr vom 4. Januar 1918 erschienen (wiederabgedruckt bei FB 127f.).


Feigl: Siehe Anm. 70 oben.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at