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Max Brod an Franz Kafka
[Prag]
Lieber Franz -
Dank für Brief und Karte. Deinen Brief habe ich an Werfel (Wien, Grabenhotel)
weitergeschickt. -
Die Adresse von Körner ist Wien IX, Porzellangasse
16.
Deine Schwester soll den Brief von Janáček
gut aufheben und ihn nicht in unrechte Hände kommen lassen, da Kritisches
über Zeitgenossen drinsteht. Natürlich gehört er ihr.
Die Einladung zum Anbruch ist von mir unabhängig,
obwohl auch ich eine Einladung erhielt.
Ich hoffe zur Generalprobe nach
Dresden fahren zu können. Inder Hud. Revue stand
eine sehr lobende Kritik meiner Pastorkyna-Übersetzung.
Nun glaube ich, alles beantwortet zu haben und
kann dir aus meiner eigentlichen Sorge heraus schreiben. Ich fürchte
also, dass die Mäuseplage, verbunden mit den schlaflosen Nächten
(von Feueraugen sprichst du selbst!), dich um die Erfolge der Kur bringen
und ein mäuseloses Sanatorium wieder wünschenswert erscheinen
lassen wird. Du schreibst auch gar nichts über dein Befinden, Husten,
Atemnot. Wenn ich glauben könnte, dass diese letzteren aus deinem
Leben ebenso radikal geschwunden sind wie aus deinen Briefen! -Vorläufig
aber bitte ich dich dringend, dich als Patienten zu betrachten und mir
eventuell einige, wie es im Amtsjargon heißt, "Leer-Berichte"
zu senden, keinesfalls aber die Tatsache deines Krankseins oder Krankgewesenseins
totzuschweigen.
Wann kommst du nach Prag? Dies die Hauptfrage.
Denn diesmal wird man sich entscheiden müssen. -
Ich finde wirklich nicht, dass ich in den
Briefen zu wenig über mich schreibe. - Aber diese Illusion kommt vielleicht
daher, dass ich in meinem Roman zu viel von mir schreibe. Ich habe
mich in drei Personen geteilt, die einander bedauern, einander mit Schonung
und Wohlwollen behandeln.
A propos Schonung: ich bin jetzt eben launenhaft
und bitte dich das mit dem Kein-Geschenk-Nehmen als Laune anzusehen, die
man einem Kranken nachsehen muß.
Ich bin wirklich krank und deine Art, mich immer
als normal oder abnorm gesund hinzustellen, tröstet mich nicht. Wohl
aber fühle ich, dass deine Abwesenheit von Prag ein gewaltiges
Minus in meinem Leben darstellt. Wenigstens hat sich alles in den paar
Tagen, die ich mit dir zusammen war, sehr gebessert und ist seither wieder
schlimmer geworden. Schade, dass ich dir nicht mein Tagebuch gründlicher
vorgelesen habe. Du hättest mir vielleicht doch raten können.
- Heute lebe ich nur durch den Roman. Wie es mit mir aussehen wird, wenn
ich die glückliche Lösung von mir Iosgeschrieben haben und nur
die traurige Nicht-Lösung weiterzuexistieren haben werde, das weiß
ich noch nicht. Doch bin ich weder besonders gespannt auf diesen Zeitpunkt
noch besonders ängstlich. Ich glaube an ein dazwischentretendes Wunder,
das mich über den kritischen Moment hinwegtreiben wird. - Ich war
neulich beim Rabbi von Brzezany. Mit Langer (der sich
um eine Stelle in der Kultusgemeinde bewirbt, dies nebenbei). Der Rabbi
sprach sofort recht unvermittelt über Esther mit mir, dann über
Moses, stellte eine kunstvolle Verbindung zwischen dem Stab, mit dem der
König Esther berührt, und dem Stabe Mosis
her. - Kündigt sich das Wunder so an?
Dein Max
Quelle: Franz Kafka ; Max Brod: Eine Freundschaft (II). Briefwechsel. Hrsg. von Malcolm Pasley. Frankfurt am Main 1989.
Generalprobe: Es handelt sich um Brods Drama Die Höhe des Gefühls, das erst im März 1918 in Dresden zur Uraufführung gelangte.
Hud. Revue . .. Pastorkýna-Übersetzung: Siehe Anm. 20 oben. Die Hudební Revue ("Zeitschrift für Musik") war eine von Karel Stecker und Karel Hoffmeister herausgegebene Monatsschrift.
Langer: Siehe 1916, Anm. 16.
Esther: Siehe Anm. 17 oben.
Letzte Änderung: 17.4.2009 | werner.haas@univie.ac.at |