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Franz Kafka an den Kurt Wolff Verlag


Prag, am 19. August [19] 16
 

Entsprechend Ihrem freundlichen Schreiben vom 15.l.M. stelle ich zusammen, was mich zu meiner Bitte nach Einzelabdruck des "Urteil" und der "Strafkolonie" geführt hat:

Zunächst war überhaupt nicht von der Veröffentlichung im "Jüngsten Tag" die Rede, sondern von einem Novellenband "Strafen" (Urteil -Verwandlung - Strafkolonie), dessen Herausgabe mir Herr Wolff schon vor langer Zeit in Aussicht gestellt hat. Diese Geschichten geben eine gewisse Einheit, auch wäre natürlich ein Novellenband eine ansehnlichere Veröffentlichung gewesen, als die Hefte des "Jüngsten Tag", trotzdem wollte ich sehr gerne auf den Band verzichten, wenn mir die Möglichkeit erschien, dass das "Urteil" in einem besondern Heft herausgegeben werden könnte.

Ob "Urteil" und "Strafkolonie" gemeinsam in einem Jüngsten Tag-Bändchen erscheinen sollen steht wohl nicht eigentlich in Frage, denn die "Strafkolonie" reicht gewiß, auch nach der in Ihrem Schreiben vorgenommenen Bemessung, für ein Einzelbändchen reichlich aus. Hinzufügen möchte ich nur, dass "Urteil" und "Strafkolonie" nach meinem Gefühl eine abscheuliche Verbindung ergeben würden; "Verwandlung" könnte immerhin zwischen ihnen vermitteln; ohne sie aber hieße es wirklich zwei fremde Köpfe mit Gewalt gegen einander schlagen.

Insbesondere für den Sonderabdruck des "Urteil" spricht bei mir folgendes: Die Erzählung ist mehr gedichtmäßig als episch, deshalb braucht sie ganz freien Raum um sich, wenn sie sich auswirken soll. Sie ist auch die mir liebste Arbeit und es war daher immer mein Wunsch, dass sie, wenn möglich, einmal selbstständig zur Geltung komme. Jetzt da von dem Novellenband abgesehen wird, wäre dafür die beste Gelegenheit. Nebenbei erwähnt bekomme ich dadurch, dass die "Strafkolonie" nicht gleich jetzt im "Jüngsten Tag" erscheint, die Möglichkeit sie den "Weißen Blättern" anzubieten. Es ist das aber wirklich nur nebenbei erwähnt, denn die Hauptsache bleibt für mich, dass das "Urteil" besonders erscheint.

Die buchtechnischen Schwierigkeiten dessen sollten unüberwindlich sein? Ich gebe zu, dass ein Monumentaldruck nicht sehr passend wäre, aber erstens ergeben sich schon im Fledermausdruck 30 Seiten und zweitens enthalten bei weitem nicht alle Jüngste-Tag-Bändchen 32 bedruckte Seiten. Aissá z. B. hat deren nur 26 und andere Bändchen, die ich gerade nicht zur Hand habe, wie Hasenklever und Hardekopf bestehen gar nur aus wenigen Blättern.

Ich glaube also, dass mir der Verlag die Gefälligkeit des Einzelabdrucks - ich würde es durchaus als Gefälligkeit ansehn - wohl machen könnte. In vorzüglicher Hochschätzung Ihr sehr ergebener


F Kafka


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at