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Postkarte an Felice Bauer

[Prag, 4. Dezember 1916]
 


Liebste, heute kam der ältere an Dich zurückgegangene Brief. Wir sind also vertrauenswürdiger. Meine Meinung über Weihnachten bleibt die alte, ich weiß, es wird mir einen Stich geben, wenn ich endgiltig höre, dass wir einander nicht sehn, aber an dem im Grunde Richtigen meiner Meinung werde ich nicht zweifeln. - Deine Kopfschmerzen bedrücken mich sehr. Ist uns nur eine einzige Ruhe gemeinsam zugeteilt, so dass, wenn es bei mir ein wenig ruhiger zugeht, dies gleich Deinen Ruheanteil kleiner macht? Und die Gründe? Die Unsicherheit war doch vor einem Monat nicht größer als heute. Und das Heim? Hält und macht es Dich nicht fest? - Das Drama des Bekannten kann ich nicht mehr lesen. Max hat es vor paar Tagen, ohne dass ich überhaupt etwas davon gehört hätte, weggeschickt. Er hält es nicht für wesentlich. Ich hätte es natürlich gern gelesen, da Du es wolltest, aber nun, da es weg ist, hat es keinen Sinn, es wieder zu verlangen, mein Urteil oder gar meine Hilfe hätte für den Verfasser gewiß keine Bedeutung. Übrigens war Max in letzter Zeit gerade mit ähnlichen Bitten überhäuft und mag es also nicht allzugenau gelesen haben.

Franz


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at