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Postkarte an Felice Bauer
Liebste, das glaube ich eben auch, wie könnte ich sonst in diesem
Zustande weiterleben (Kopfschmerzen mit eingerechnet). Ich
bin zwar nicht überzeugt, dass solche Streitigkeiten (gräßliche
Konditorei!) nicht wieder vorkommen werden, aber sie werden nicht die
Spannung des kurzen Beisammenseins, des vagen und gespensterreichen Provisoriums
als Verstärkung der Bitternis haben und deshalb als allgemeine menschliche
Not ertragen werden müssen. Du wirst auf den Stein schlagen, und der
Stein wird ein wenig geritzt werden. Zerbröckelt er nicht vorzeitig,
wird er es ertragen, ebenso wie es die Hand wird ertragen müssen.
- Was mich augenblicklich betrifft, so beherrschen mich, von den heutigen
ausnahmsweisen (seit München) Kopfschmerzen abgesehn, fast ausschließlich
die Gedanken an den Wohnungswechsel und die kleinen, aber innerhalb des
allgemeinen Negativums, in dem ich lebe, wenigstens positiven Hoffnungen,
die sich daran knüpfen. Schon mein Gang in das Wohnungsbureau war
eine nicht zu verachtende Leistung. Seitdem umschweben mich 3 Frauen in
unverdienter Freundlichkeit, die Inhaberin des Wohnungsbureaus, die Hausmeisterin
des Hauses, in dem ich wohnten will, und das Dienstmädchen der Partei,
die mir ihre Wohnung überlassen will. Seit gestern hat sich ihnen
noch meine Mutter, wirklich sehr gütig, angeschlossen. Mehr verrate
ich nicht, erst übermorgen, bis es sich entscheidet. - Morgen gehn
die Bücher an Dich ab.
Franz
Ich bin zwar nicht ... : Die Bemerkung bezieht
sich auf den gemeinsamen Aufenthalt in München, 10.-12. November 1916.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at