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Postkarte an Felice Bauer

[Prag,] 13. X. 16
 


Liebste, heute keine Nachricht, auch der Jahresbericht ist noch nicht gekommen. Mit der von Dir gegebenen Begründung billige ich das Schreiben natürlich, nur müßte man dann eigentlich bei vollständiger Konsequenz etwa auch den Foerster oder - ewige und jetzt überdies ganz unangebrachte Geißel! - auch die Memoiren abschreiben, wenn man sich lebendiges Lesen nur durch Anbinden an den Schreibmaschinentisch abzwingen könnte. Übrigens für mich bei manchen Dauerzuständen ein leider noch zu schwaches Mittel. Aber für den Foersterkurs, über den Du so enttäuschte und enttäuschende Mitteilungen machst, müßte man wirklich irgendein Mittel der Erweckung finden. Jedenfalls ist man bei diesen Verhältnissen noch mehr als sonst gezwungen, den ganzen Foerster zu lesen unabhängig von der persönlichen Zuteilung. Den Nutzen des Alleinlesens des Foerster kann doch auch ein noch so schlechter Kurs nicht zerstören. Hätte ich doch die dauernde Ruhe des Kopfes, um mich mit Dir schriftlich über den Foerster Abschnitt für Abschnitt zu verständigen! Denn wichtig ist er, daran ist kein Zweifel. - Ich schicke Dir heute ein Rätselbuch, ich hätte es reichhaltiger gewünscht, aber mit der lebendigen großen Freundin hinter sich wird es die Mädchen gewiß unterhalten. - Wie wird es werden ohne Lehmann, Lemur und vielleicht ohne Welkanoz? Muß alles Gute jetzt in quälenden Provisorien leben, wobei ich zu dem Guten auch unser Gemeinsames rechne.

Franz




die Memoiren: Memoiren einer Sozialistin, vgl. Anm. S. 638.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at