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Postkarte an Felice Bauer
26. IX. 16
Liebste, vorgestern, gestern, heute keine Nachricht, etwas lange, nicht?
Allerdings verstehe ich es beiläufig, Du hattest eben Samstag und
Sonntag keine Zeit. Nun ist aber auch sonst heute ein sehr schlechter Tag.
Gestern allerdings war er desto besser, es war so schönes Wetter und
ich hatte einen Ausflug gemacht, ganz allein, zu dieser Hochfläche
mit der großen Aussicht, von der ich Dir schon einmal geschrieben
habe. Es war wie im bessern Jenseits. Kennst Du eigentlich die Freuden
des Alleinseins, Alleingehns, Allein-in-der Sonne-Liegens? Damit ist wahrhaftig
nichts gegen das Zuzweitsein und nicht viel gegen das Zudrittsein gesagt.
Aber was für ein Glück für die Gemarterten, für Herz
und Kopf ist das! Kennst Du es? Bist Du allein schon weit gegangen? Die
Fähigkeit dazu setzt viel vergangenen Jammer und auch viel Glück
voraus. Ich weiß, als Junge war ich viel allein, aber es war mehr
Zwang, selten freies Glück. Jetzt aber laufe ich in das Alleinsein,
wie das Wasser ins Meer.
Viele Grüße Franz
Mit Max habe ich schon gesprochen, das einzige Buch, das er vorläufig
nennen konnte, war eines von Scholem Aleichem. Mir aber - und schließlich
auch ihm - scheint es zu ironisch und kompliciert für Kinder. Dagegen
werde ich ein gutes Rätselbuch und vielleicht auch ein Beschäftigungsbuch
Dir schicken, ich muß es nur finden.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at