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Postkarte an Felice Bauer

[Prag,] 24. IX. 16
 


Liebste, so schöner Tag, dass ich sogar vormittag aus dem Bett herauskam und im Vorübergehn im Bureau nachfragte, nicht umsonst, es waren Briefe vom 21. u. 22. da. Ich weiß nicht, wie ich die Freude begreiflich machen soll, die sie mir verschaffen. Es ist etwa so, als wären die Mädchen meine Kinder und bekämen eine Mutter (nachträglich?) oder als wärest Du mein Kind und bekämest in Deiner Gruppe eine Mutter oder als säße ich irgendwo in Frieden und der unentbehrliche Regen strömte auf meine Felder. Und das eigentlich Wunderbare bei dem allen wäre, dass ich es nicht verdiene, dass mir aber aus diesem Nichtverdienen infolge eines ganz verborgenen Weltgesetzes keine Schuld gedreht werden kann. - Morgen schreibe ich ausführlich oder schicke das Referat, wie ich es mir denke. Schlemihl halte ich als Einleitung für recht gut und lasse Dir morgen 10 Exempl. Schlemihl mit Zeichnungen aus der "Weltliteratur" schicken[1]. - Ich wandere in Gedanken mit langen Schritten neben Dir nach Mühlbeck.

Franz




Schlemihl: Adalbert von Chamissos Erzählung Peter Schlemihls wundersame Geschichte.


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at