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Zwei Postkarten an Felice Bauer

[Prag,] 31. August 16
 


Liebste, besten Dank für den Brief und seine schöne Ausführlichkeit. Es liegt ja etwas Enttäuschendes in der Schreibmaschinenschrift und man ist versucht, hinter das kalte Blatt zu sehn, ob dort vielleicht das Lebendige zu fassen wäre, aber der Vorteil ist doch groß. Du fühlst Dich auch, scheint mir fast, bei der Schreibmaschine im mehr Gewohnten. - Unter Menschen wie dem Maler und seiner Frau habe ich Dich gern, man erkennt ihn übrigens, glaube ich, besser, wenn man zuerst allein mit ihm gesprochen hat. Hast Du vor Bildern Vertrauen zu Dir, ich zu mir nur selten. Vor 2, 3 Bildern Feigls hatte ich es. Ich glaube sogar, dass er schon viel geleistet hat. - Sie sind schon 3, 4 Jahre verheiratet. Sie schien mir ein wenig sehr kalt, aber ich merkte wohl, dass sie nach 1 Stunde Kaffeehaus und ½ Stunde Spaziergang nicht beurteilt werden könne. Etwas sonderbar zusammengespannt sahen sie wohl aus, da sie aber mit ihrer Einheit offenbar sehr zufrieden waren, erkannte auch ich sie sehr gern an. Aus der Schule erinnere ich mich kaum mehr an ihn. Suche ich mir ihn vorzustellen, so steigt nur etwas sehr Unfähiges und Langes in der letzten Bank auf, aber es ist gar nicht sicher, dass er es ist. - Sehr stark wirkt auf mich seine Art zu reden und zu denken, das halb Irrsinnige aber sehr Methodische darin. Das ewig Suchende und ewig Sichere, das Du ganz übereinstimmend mit mir etwa "augenblicklichen Optimismus" nennst, trotzdem Du es wohl nur gefühlt haben kannst, denn beim Tee wird es kaum sehr deutlich in Erscheinung getreten sein. Die Wirkung des Knabenhaften gegenüber der Frau kann ich mir nicht erklären, sie lebt doch, wenn auch kalt, schwer und stolz, ganz in seinem Wesen. So schien es mir.Glaubst Du, dass das Pariser Bild ein passenderes Hochzeitsgeschenk wäre? Was ist es? Wie groß? Wird er es auch schicken? Wir zahlen 150 K, sehr wenig für das Bild, sehr viel für das Geschenk. Schreib mir gelegentlich noch über den Nachmittag. Wie Du Dich dort fühltest.

Franz


[am Rande] Wie trägt es Frl. Bloch und was bedeutet es für sie?


Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at