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Zwei Postkarten an Felice Bauer
Liebste, besten Dank für den Brief und seine schöne Ausführlichkeit.
Es liegt ja etwas Enttäuschendes in der Schreibmaschinenschrift und
man ist versucht, hinter das kalte Blatt zu sehn, ob dort vielleicht das
Lebendige zu fassen wäre, aber der Vorteil ist doch groß. Du
fühlst Dich auch, scheint mir fast, bei der Schreibmaschine im mehr
Gewohnten. - Unter Menschen wie dem Maler und seiner Frau habe ich Dich
gern, man erkennt ihn übrigens, glaube ich, besser, wenn man zuerst
allein mit ihm gesprochen hat. Hast Du vor Bildern Vertrauen zu Dir, ich
zu mir nur selten. Vor 2, 3 Bildern Feigls hatte ich es. Ich glaube sogar,
dass er schon viel geleistet hat. - Sie sind schon 3, 4 Jahre verheiratet.
Sie schien mir ein wenig sehr kalt, aber ich merkte wohl, dass sie
nach 1 Stunde Kaffeehaus und ½ Stunde Spaziergang nicht beurteilt
werden könne. Etwas sonderbar zusammengespannt sahen sie wohl aus,
da sie aber mit ihrer Einheit offenbar sehr zufrieden waren, erkannte
auch ich sie sehr gern an. Aus der Schule erinnere ich mich kaum mehr an
ihn. Suche ich mir ihn vorzustellen, so steigt nur etwas sehr Unfähiges
und Langes in der letzten Bank auf, aber es ist gar nicht sicher, dass
er es ist. - Sehr stark wirkt auf mich seine Art zu reden und zu denken,
das halb Irrsinnige aber sehr Methodische darin. Das ewig Suchende und
ewig Sichere, das Du ganz übereinstimmend mit mir etwa "augenblicklichen
Optimismus" nennst, trotzdem Du es wohl nur gefühlt haben kannst,
denn beim Tee wird es kaum sehr deutlich in Erscheinung getreten sein.
Die Wirkung des Knabenhaften gegenüber der Frau kann ich mir nicht
erklären, sie lebt doch, wenn auch kalt, schwer und stolz, ganz in
seinem Wesen. So schien es mir.Glaubst Du, dass das Pariser Bild ein
passenderes Hochzeitsgeschenk wäre? Was ist es? Wie groß? Wird
er es auch schicken? Wir zahlen 150 K, sehr wenig für das Bild, sehr
viel für das Geschenk. Schreib mir gelegentlich noch über den
Nachmittag. Wie Du Dich dort fühltest.
Franz
[am Rande] Wie trägt es Frl. Bloch und was bedeutet es für sie?
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at