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Postkarte an Felice Bauer
Liebste - ich lese nochmals die gestrige Karte. Was schreibst Du an Dr. Lehmann? Stell Dich ihm jedenfalls zur Verfügung.
Die geringe Zeit, die Dir bleibt, kannst Du (Spazieren und Turnen nehme
ich aus) nicht besser verwenden als dort, es ist unzähligemal wichtiger
als Theater, als Klabund, als Gerson und was es sonst noch gibt. Es ist
auch eine der eigennützigsten Angelegenheiten. Man hilft nicht, sondern
sucht Hilfe, es ist aus dieser Arbeit mehr Honig zu holen als aus allen
Blumen der Marienbader Wälder. Ich weiß nicht, wie Du zu der
Meinung kommst, dass nur Studenten in Betracht kommen. Natürlich
haben Studenten und Studentinnen als die durchschnittlich selbstlosesten,
entschlossensten, unruhigsten, verlangendsten, eifrigsten, unabhängigsten,
weitsichtigsten Menschen die Sache angefangen und führen sie, aber
jeder Lebende gehört ebensogut dazu.
Viele Grüße Franz
Dr. Lehmann : Dr. Siegfried Lehmann, der im jüdischen
Schulwesen, zunächst in Berlin und später in Israel, eine große
Rolle spielte. Von ihm erschien Anfang März 1917 der Beitrag "Idee
der jüdischen Siedlung und des Volksheims", Jüdische Rundschau
XXII, Nr. 9, S. 76f. und Nr. 10, S. 83f.
Letzte Änderung: 17.4.2009 werner.haas@univie.ac.at