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[Tagebuch, 4. November 1915; Donnerstag]

4 (November 1915) Erinnerung an den Winkel in Brescia, wo ich auf ähnlichem Pflaster, aber am hellen Tag Kindern Soldi verteilte. Erinnerung an eine Kirche in Verona, wo ich, ganz verlassen, nur unter dem leichten Zwang der Pflicht eines Vergnügungsreisenden und unter dem schweren Zwang eines in Nutzlosigkeit vergehenden Menschen widerwillig eintrat, einen überlebensgroßen Zwerg sah, der sich unter dem Weihbecken krümmte, ein wenig umhergieng, mich niedersetzte und ebenso widerwillig hinausgieng als sei draußen wieder eine gleiche Kirche Tor an Tor angebaut.

Letzthin die Judenabreise auf dem Staatsbahnhof. Die 2 Männer die einen Sack trugen. Der Vater der seine Habseligkeiten seinen vielen Kindern bis zum Kleinsten aufladet, um schneller auf den Perron zu kommen. Die auf dem Koffer mit einem Säugling sitzende starke gesunde schon formlose junge Frau, welche Bekannte in lebhaftem Gespräch umstehn.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at