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[Tagebuch, 6. Oktober 1915; Mittwoch]

6 Okt. 15 Verschiedene Formen der Nervosität. Ich glaube Lärm kann mich nicht mehr stören. Allerdings arbeite ich jetzt nicht. Allerdings je tiefer man sich seine Grube gräbt, desto stiller wird es, je weniger ängstlich man wird, desto stiller wird es.

Erzählungen Langers:

Einem Zadik soll man mehr gehorchen als Gott. Balschem sagte einmal einem seiner liebsten Schüler, er solle sich taufen lassen. Er ließ sich taufen, kam zu Ansehn, wurde Bischof. Da ließ ihn Balschem zu sich kommen und erlaubte ihm zum Judentum zurückzukehren. Er folgte wieder und tat wegen seiner Sünde große Buße. B. erklärte seinen Befehl damit, dass der Schüler wegen seiner ausgezeichneten Eigenschaften vom Bösen sehr verfolgt gewesen sei und dass die Taufe den Zweck gehabt habe, den Bösen abzulenken. B. warf den Schüler selbst mitten ins Böse, der Schüler tat den Schritt nicht aus Schuld sondern auf Befehl und für den Bösen schien es hier keine Arbeit mehr zu geben.

Alle 100 Jahre erscheint ein oberster Zadik, ein Zadik Hador. Er muß gar nicht bekannt sein, kein Wunderrabbi sein und ist doch der oberste. B. war nicht Zadik Hador in seiner Zeit, das war vielmehr ein unbekannter Kaufmann in Drohobisz. Dieser hörte, dass B. wie dies auch andere Zadiks taten, Amulette schrieb und hatte den Verdacht, dass er Anhänger des Sabbatai Zewi sei und dessen Name auf die Amuletts schreibe. Deshalb nahm er ihm, ohne ihn persönlich zu kennen, von der Ferne aus die Macht jene Amuletts zu geben. B. erkannte bald die Machtlosigkeit seiner Amuletts - er hatte aber immer nichts anderes auf die Amuletts geschrieben, als seinen eigenen Namen - und erfuhr auch nach einiger Zeit, dass der Drohobyscer die Ursache dessen war. Als einmal der Dr. in die Stadt Balschems kam, - es war an einem Montag - ließ ihn B. ohne dass er es merkte einen Tag verschlafen; der Dr. blieb infolgedessen in der Zeitrechnung immer um einen Tag zurück. Freitag abend - er dachte es wäre Donnerstag - wollte er nachhause fahren, um die Feiertage zuhause zu verbringen. Da sieht er die Leute in den Tempel gehn und merkt den Irrtum. Er beschließt hier zu bleiben und läßt sich zu B. führen. Dieser hat schon am Nachmittag seiner Frau den Auftrag gegeben, ein Mahl für 30 Personen herzurichten. Als der Dr. kommt, setzt er sich nach den Gebeten gleich zum Essen und ißt in kurzer Zeit das für 30 Personen bestimmte Essen auf. Aber er wird nicht satt, sondern verlangt weiteres Essen. B. sagt: "Einen Engel ersten Grades habe ich erwartet, auf einen Engel zweiten Grades war ich aber nicht vorbereitet. " Er ließ nun alles Eßbare bringen, was im Hause war, aber auch das genügte nicht.

B. war nicht Zadik Hador, aber er war noch höher. Zeuge dessen ist der Zadik Hador selbst. Dieser kam nämlich einmal abends in den Ort, wo die künftige Frau Balschems als Mädchen wohnte. Er war Gast in dem Hause der Eltern des Mädchens. Ehe er auf den Dachboden schlafen gieng, verlangte er ein Licht, aber es war keines im Hause. Er gieng also ohne Licht hinauf, aber als das Mädchen später vom Hofhinaufsah, war es oben hell wie bei einer Illumination. Da erkannte sie, dass es ein besonderer Gast war und sie bat ihn, sie zur Frau zu nehmen. Sie durfte so bitten, denn ihre höhere Bestimmung erwies sich darin, dass sie den Gast erkannt hat. Aber der Zadik Hador sagte: "Du bist für einen noch Höheren bestimmt. " Dies beweist, dass B. höher war als ein Zadik Hador.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at