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[Tagebuch, 4. Mai 1915; Dienstag]

4 V (1915) Besserer Zustand weil ich Strindberg (Entzweit) gelesen habe. Ich lese ihn nicht um ihn zu lesen sondern um an seiner Brust zu liegen. Er hält mich wie ein Kind auf seinem linken Arm. Ich sitze dort wie ein Mensch auf einer Statue. Bin zehnmal in Gefahr abzugleiten, beim elften Versuch sitze ich aber fest, habe Sicherheit und große Übersicht.

Überlegung des Verhältnisses der andern zu mir. So wenig ich sein mag, niemand ist hier, der Verständnis für mich im Ganzen hat. Einen haben der dieses Verständnis hat, etwa eine Frau, das hieße Halt auf allen Seiten haben, Gott haben. Ottla versteht manches, sogar vieles, Max, F. manches, manche wie E. verstehn nur einzelnes, aber dieses mit abscheulicher Intensität, F. versteht vielleicht gar nichts das gibt allerdings hier, wo unleugbare innere Beziehung ist, eine große Sonderstellung. Manchmal glaubte ich, dass sie mich verstehe, ohne dass sie es wußte z. B. als sie mich, damals als ich mich unerträglich nach ihr sehnte, in der Untergrundbahnstation erwartete, ich in meiner Sucht nur möglichst rasch zu ihr zu kommen, die ich oben vermutete, an ihr vorüberlaufen wollte und sie mich still bei der Hand ergriff.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at