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[Tagebuch, 13. März 1915; Samstag]

13. (März 1915) Ein Abend: Um 6 Uhr auf das Kanapee gelegt. Etwa bis 8 Uhr geschlafen. Unfähig gewesen aufzustehn, auf einen Uhrenschlag gewartet und im Dusel alles überhört. Um 9 Uhr aufgestanden. Nicht mehr nachhause zum Nachtmahl gegangen, auch nicht zu Max, wo heute ein gemeinsamer Abend war. Gründe: die vielen Sperrsechser, Appetitlosigkeit, Angst vor der Rückkehr spät am Abend, vor allem aber der Gedanke daran, dass ich gestern nichts geschrieben habe, mich immer mehr davon entferne und in Gefahr bin, alles im letzten ½ Jahr mühselig erworbene zu verlieren. Den Beweis dafür geliefert, indem ich 1 ½ elende Seiten einer neuen und schon endgiltig verworfenen Geschichte schrieb und dann in einer gewiß vom Zustand des lustlosen Magens mitverschuldeten Verzweiflung Herzen las, um mich irgendwie von ihm weiterführen zu lassen. Glück seines ersten Ehejahres, Entsetzen mich in ein solches Glück gestellt zu sehn, das große Leben in seinen Kreisen, Belinski, Bakunin tagelang im Pelz auf dem Bett.

Manchmal das Gefühl fast zerreißenden Unglücklichseins und gleichzeitig die Überzeugung der Notwendigkeit dessen und eines durch jedes Anziehen des Unglücks erarbeiteten Zieles, (jetzt beeinflußt durch die Erinnerung an Herzen, geschieht mir aber auch sonst)


Quelle "Sperrsechserl": https://de.wikipedia.org/wiki/Sperrsechserl
Sperrsechser: Als "Sperrsechserl" bezeichnete man in der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie ein Entgelt, das man an den Hausbesorger entrichten musste, damit dieser einem zwischen 22 Uhr und 6 Uhr das Haustor öffnete. Zu dieser Zeit hatten die Bewohner einer Wohnung kein Anrecht auf einen Haustorschlüssel und waren somit meist auf den Hausbesorger angewiesen. Die Abhängigkeit vom Hausmeister war im Kaiserreich als ordnungspolitische Maßnahme angelegt, da rechtschaffene Bürger nach 22 Uhr zuhause sein sollten und somit die öffentliche Ordnung gewährleistet werden sollte.
Neben einer Aufwandsentschädigung für den Hausbesorger stellte das Sperrsechserl ein Art Strafe für Personen, die nach 22 Uhr noch auf den Straßen unterwegs waren, dar. Der Name Sechserl rührt von dem üblichen Entgelt, das 20 Heller ausmachte und ursprünglich 6 Kreuzer entsprach. (Literatur: Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien: in 6 Bänden. Band 6, Kremayr & Scheriau, Wien 2004.
Herzen: Alexander Herzen: Erinnerungen.

Letzte Änderung: 4.3.2021werner.haas@univie.ac.at