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[Tagebuch, 2. Dezember 1914; Mittwoch]

2. (Dezember 1914)Nachmittag bei Werfel mit Max und Pick. "In der Strafkolonie" vorgelesen, nicht ganz unzufrieden, bis auf die überdeutlichen unverwischbaren Fehler. Werfel Gedichte und 2 Akte aus "Esther Kaiserin von Persien". Die Akte fortreißend. Ich lasse mich aber leicht verwirren. Die Aussetzungen und Vergleiche, die Max, der nicht ganz mit dem Stück zufrieden ist, vorbringt, stören mich und ich halte das Stück in der Erinnerung beiweitem nicht mehr so in der Gesamtheit fest, wie während des Zuhörens, als es über mich herfiel. Erinnerung an die Jargonschauspieler. W.'s schöne Schwestern. Die ältere lehnt am Sessel, schaut seitwärts öfters in den Spiegel, zeigt, doch schon genügend von meinen Augen verschlungen, mit einem Finger leicht auf eine Brosche, die mitten auf ihrer Bluse eingesteckt ist. Es ist eine ausgeschnittene dunkelblaue Bluse, der Blusenausschnitt ist mit Tüll gefüllt. Wiederholte Erzählung einer Szene im Teater: Offiziere, die während Kabale und Liebe, häufig untereinander laut die Bemerkung machten: "Speckbacher macht Figur" womit sie einen Offizier meinten, der an der Wand einer Loge lehnte.

Ergebnis des Tages schon vor Werkel: Unbedingt weiterarbeiten, traurig dass es heute nicht möglich ist, denn ich bin müde und habe Kopfschmerzen, hatte sie auch andeutungsweise vormittag im Bureau. Unbedingt weiterarbeiten, es muß möglich sein trotz Schlaflosigkeit und Bureau.

Traum heute nachts. Bei Kaiser Wilhelm. Im Schloß Die schöne Aussicht. Ein Zimmer ähnlich wie im " Tabakskollegium". Zusammenkunft mit Matilde Serao. Leider alles vergessen.

Aus Esther: Die Meisterwerke Gottes furzen einander im Bade an.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at