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[Tagebuch, 7. August 1914; Freitag]

7. (August 1914) Man behandelt, selbst wenn man nicht die geringste sichtbare Fähigkeit zu individualisieren hat, doch jeden nach seiner Art. "L. aus Binz" streckt mir, um auf sich aufmerksam zu machen, den Stock entgegen und erschreckt mich.

Die festen Schritte auf der Schwimmschule.

Gestern und heute 4 Seiten geschrieben, schwer zu überbietende Geringfügigkeiten.

Der ungeheuere Strindberg. Diese Wut, diese im Faustkampf erworbenen Seiten.

Chorgesang aus dem gegenüberliegenden Wirtshaus. - Gerade bin ich zum Fenster gegangen. Schlaf scheint unmöglich. Durch die offene Gasthaustüre kommt der volle Gesang. Eine Mädchenstimme intoniert. Es sind unschuldige Liebeslieder. Ich ersehne einen Schutzmann. Gerade kommt er. Er bleibt ein Weilchen vor der Tür stehn und hört zu. Dann ruft er: "Der Wirt! " Die Mädchenstimme: "Vojtí ku. " Aus einer Ecke springt ein Mann in Hose und Hemd. "Macht die Tür zu! Wer soll den Lärm anhören?" "Oh bitte, oh bitte" sagt der Wirt und mit zarten entgegenkommenden Bewegungen, als verhandele er mit einer Dame schließt er zuerst die Tür hinter sich, öffnet sie dann um hineinzuschlüpfen und schließt sie wieder. Der Schutzmann (dessen Verhalten insbesondere dessen Wut unbegreiflich ist, denn ihn kann der Gesang nicht stören, sondern nur seinen langweiligen Dienst versüßen) marschiert ab, die Sänger haben die Lust am Singen verloren.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at