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[Tagebuch, 14. Februar 1914; Samstag]

14. II 14

Wenn ich mich töten sollte, hat ganz gewiß niemand schuld, selbst wenn z. B. die offenbare nächste Veranlassung F.'s Verhalten sein sollte. Ich habe mir selbst schon einmal im Halbschlaf die Szene vorgestellt, die es ergeben würde, wenn ich in Voraussicht des Endes den Abschiedsbrief in der Tasche in ihre Wohnung käme, als Freier abgewiesen würde, den Brief auf den Tisch legte, zum Balkon gienge, von allen, die hinzueilen gehalten mich losreißen und die Balkonbrüstung, während eine Hand nach der andern ablassen muß, überspringen würde. In dem Brief aber stünde, dass ich F.'s wegen zwar hinunterspringe, dass sich aber auch bei Annahme meines Antrages nichts wesentliches für mich geändert hätte. Ich gehöre hinunter, ich finde keinen andern Ausgleich, F. ist zufällig die, an der sich meine Bestimmung erweist, ich bin nicht fähig, ohne sie zu leben und muß hinunterspringen, ich wäre aber - und F. ahnt dies - auch nicht fähig mit ihr zu leben. Warum nicht die heutige Nacht dazu verwenden, schon erscheinen mir die Redner des heutigen Elternabends, die vom Leben und von der Schaffung seiner Bedingungen redeten, - aber ich halte mich an Vorstellungen, ich lebe ganz verwickelt ins Leben, ich werde es nicht tun, ich bin ganz kalt, bin traurig, dass ein Hemd um den Hals mich drückt, bin verdammt, schnappe im Nebel.

Letzte Änderung: 17.4.2009werner.haas@univie.ac.at